Dass es funktioniert, ist die Hauptsache
Zwei Referate und ein Podium befassten sich am Martini-Symposium mit Kryptowährungen und der komplexen Technologie, die dahinter steckt. Die Haupterkenntnis: Um sie anzuwenden, muss man nicht zwingend verstehen, wie sie funktioniert.
Die Berichte zu Kryptowährungen, die man sich aktuell im Internet zu Gemüte führen könne, seien ernüchternd, meinte Sursees Stadtpräsident Beat Leu am Donnerstag bei der Begrüssung zum Martini-Symposium im Businesspark Sursee. Der Kurszerfall von 30 Prozent habe am Glanz des Bitcoins gekratzt. «Vor diesem Hintergrund kommt dieses Tagungsthema genau zum richtigen Zeitpunkt», so Leu. Diese Einschätzung teilte SRF-Wirtschaftsexperte Reto Lipp, der als Moderator durchs Symposium führte: «Niemand fragt mehr nach Bitcoins. Aber die Technologie der Blockchain, die dahinter steckt, ist interessant.»
Ein relativ kleiner Player auf dem Markt
Einen Einblick in das Wesen der Kryptowährungen und namentlich in den Bitcoin gab Andreas Dietrich, Institutsleiter IFZ der Hochschule Luzern, im ersten Referat. Kryptowährungen beruhen auf einer dezentralen Datenbank, die weltweit auf ganz viele Rechner verteilt sind. Damit sind Überweisungen von Person zu Person möglich, ohne den Weg über eine Bank einzuschlagen zu müssen. Gemäss Dietrich ist der Bitcoin ein knappes Gut: Er ist auf 21 Millionen Tokens begrenzt, wodurch eine Inflation ausgeschlossen ist. Bitcoins besitzen als rein virtuelle Währung keinen inneren Wert, aber auch keinen Kurs. In der Kritik stehen sie wegen des hohen Energiebedarfs der Transaktionen. Dies liegt laut dem Referenten am kryptografischen Rätsel, das zu lösen ist: Je mehr Beteiligte es gibt, desto komplexer werden diese Rätsel.
Aktuell gibt es weltweit 2100 Kryptowährungen, die einen Wert von 150 Milliarden Franken repräsentieren. «Damit sind sie auf dem Markt ein relativ kleiner Player». so Dietrich, der diese Aussage damit illustrierte, dass an der Hochschule Luzern bislang nur 14 Zahlungen mit Bitcoins getätigt worden seien. «Somit ist der Bitcoin eher Spekulationsobjekt als Zahlungsmittel.» Nach einem Hype befinde sich diese Kryptowährung aktuell im «Tal der Enttäuschungen», bevor sie über den «Pfad der Erleuchtung» vielleicht das «Plateau der Produktivität» erreichen werde. Immerhin ist nach Dietrichs Einschätzung der Markt für die Technologie Blockchain durchaus vorhanden.
Potenzial liegt in der Dritten Welt
Damit spielte er den Ball dem zweiten Referenten zu, dem Managing Partner der Zuger Inacta AG, Ralf Glabischnig. Dieser gab sich überzeugt, dass durch Blockchain keine Karrieren gefährdet seien. «Im Gegenteil: Im 'Crypto Valley' Schweiz entstanden durch diese Technologie 3000 neue Arbeitsplätze.» Blockchain mache weniger innerhalb einzelner Unternehmen Sinn, als vielmehr beim Aufbau neuer Ökosysteme. Dafür brauche es Leute mit Talent, eine Regulation, die Innovationen zulasse, Infrastruktur und Kapital – welch letzteres in der Schweiz verhältnismässig einfach aufzutreiben sei. In Bezug auf die Blockchain-Technologie gab Glabischnig unumwunden zu, dass diese nur die wenigsten verstünden. «Das ist jedoch kein Hinderungsgrund für die Anwendung. Denn schliesslich kann ich auch Auto fahren, ohne zu wissen, wie der Motor funktioniert.» Das Potenzial der Kryptowährungen ortete der Referent vor allem in Ländern der Dritten Welt, da dort viel mehr Menschen über ein Handy als über ein Bankkonto verfügten.
Im anschliessenden Podiumsgespräch – zu den Referenten gesellten sich der CEO und Mitinhaber der Schenkoner Lehner Versand AG, Thomas Meier, und Monika Roth, Rechtsprofessorin an der Hochschule Luzern – kamen dann auch die Risiken von Kryptowährungen zur Sprache. Dabei zeigte sich, dass vernünftigerweise die üblichen Sorgfalts- und Vorsichtsmassnahnen zur Anwendung gelangen sollten: Nicht den Code auf dem gleichen Computer wie die Bitcoins verwahren zum Beispiel – und dafür sorgen, dass der Zugangsschlüssel nicht verloren geht, denn dann sind auch die Bitcoins verloren.
Vom Superhelden zum Buhmann
Wie Meier durchblicken liess, wollte das Versandhaus Lehner das erste sein, das virtuelle Währungen akzeptiert. Bisher fanden damit aber lediglich 160 Transaktionen statt – angesichts von täglich 3000 Bestellungen ein verschwindend kleiner Anteil. Gegenwärtig hat das Unternehmen gerade mal vier Bitcoins auf dem Konto. Der CEO bestätigte, dass der anfängliche Bitcoin-Hype verpufft sei. «Ich bin vom Superhelden zum Buhmann geworden», meinte er dazu. Interessant war seine Aussage, dass unter jenen, die mit Kryptowährungen bezahlen, 99,9 Prozent Männer seien – bei den herkömmlichen Bestellungen dominierten die Frauen mit einem Anteil von 80 Prozent klar. Wie Meier in Aussicht stellte, werde die Lehner Versand AG trotz allem weiter auf Kryptowährungen setzen: «Wichtig für die Kunden ist ein barrierefreier Einkauf.»
Noch nie Bitcoins verwendet hat gemäss eigener Aussage Monika Roth. Und sie werde dies auch künftig nicht tun: «Lieber kaufe ich mir ein schönes Bild.» Versöhnlicher zeigte sich die Rechtsprofessorin in Bezug auf die Blockchain-Technologie: «Die Unveränderbarkeit der Daten ist ein grosser Vorteil.» Was die Regulierung von Kryptowährungen angeht, äusserte sie sich skeptisch: «Wie beim Verlassen der Skipiste sind die Risiken bekannt. Zudem hinkt die Gesetzgebung eh immer der technologischen Entwicklung hinterher.» Weiter stelle sich die Frage, was genau reguliert werden sollte, so Roth. Im Vordergrund stehe für sie, dort den Hebel anzusetzen, wo die bestehende Regulierung nicht greife. «Zum Beispiel muss man da genau hinsehen, wo Geldwäschereirisiken bestehen», betonte die Juristin.
Die Thematik der Kryptowährungen bot nach dem Podium auch am Apéro riche viele Ansatzpunkte für interessante Diskussionen unter den zahlreichen Teilnehmenden.