"Der Beruf kann nicht sexyer werden"
Reto Birrer ist seit einem Jahr Präsident des Baumeisterverbands Luzern und möchte noch viel bewegen. Mit weniger Lehrlingen und weniger Einnahmen kämpft er und hat viel zu tun. 30 Prozent seiner Arbeitszeit wendet er dafür auf. Im Interview spricht der 41-jährige Knutwiler Unternehmer auch über das Verhältnis zu den Gewerkschaften.
Reto Birrer, was konnten Sie im ersten Jahr Ihrer Amtszeit bewegen?
Die Hauptaufgaben des Verbands sind funktionierende Strukturen zu halten, das Gespräch mit der Regierung zu pflegen und Aus- und Weiterbildungen anzubieten. Weiter sind das Lehrlingswesen und dessen Wertschätzung ein wichtiger Teil. Mit unserem personellen und finanziellen Einsatz konnten wir erreichen, dass die durch die vorgenommene Budgetkürzung des Kantons gefährdete Diplomfeier trotzdem durchgeführt wurde.
Es gibt immer weniger, die auf dem Bau eine Lehre machen. Was unternimmt der Verband?
Eine Ausbildung im Bauhauptgewerbe (Maurer und Verkehrswegbauer) ist immer noch ein gesuchter Beruf. Das Handwerk alleine erlebt einen Rückgang. In unserer Branche ist das ein Minus von ca. zehn Prozent. Das Handwerk ist für viele Junge weniger attraktiv als eine kaufmännische oder gar akademische Laufbahn. Wir sind gefordert, unsere Branche bei den Jugendlichen vorzustellen und diesen die verschiedenen Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten aufzuzeigen, dass sie zusammen mit uns die Zentralschweiz bauen können.
Ist das Problem im ganzen Kanton Luzern aktuell?
Auf dem Land ist die Rekrutierung von Lernenden etwas einfacher, da auf dem Land eher mehr handwerklich affine Jugendliche zu finden sind. Auch kenn man dort die Bauunternehmer und Ausbildner. Personen vom FC, die bei uns arbeiten, ziehen andere mit. Es gibt Quereinsteiger.
Welche Ideen haben Sie?
Wir müssen moderne Medien nutzen und einen einheitlichen Brand entwickeln, den wir einheitlich vermarkten. Wir müssen zu den Leuten. Unser Beruf kann nicht mehr sexyer werden. Aber der Bau ist ein guter Lifestyle. Den können wir auch verkaufen. Die Maurer haben viel Positives. Wer will, kann «Karriere auf dem Bau» machen. Wir möchten in der nächsten Zeit vermehrt in den Medien der Jungen präsent sein.
Warum ist Bauen Lifestyle?
Bauen ist Mode und Architektur. Architektur ist Design. Design bewegt. Der Bauarbeiter hat nicht einfach dreckige Hosen und Hände, und überall ist Staub. Die Objekte, die wir bauen, sind sehr komplex, herausfordernd und ansprechend. Wir bauen nicht nur viereckige Schachteln, sondern das KKL oder superschöne Fussballstadien. Diese Bauten haben nicht nur Funktionalität, sondern auch Ästhetik. Das meine ich mit Lifestyle.
Wie geht es dem Baugewerbe im Kanton Luzern?
Die Auftragslage ist gut und die Aussichten 2018 recht positiv. Trotzdem ist der Deckungsbeitrag extrem unter Druck, und es herrscht ein harter Preiskampf. Die Rendite ist trotz des grossen Umsatzes im Vergleich zu anderen Regionen relativ tief.
Was kann der Baumeisterverband tun?
Die Preisgestaltung bei der Eingabe von Offerten liegt bei den Unternehmungen. Als Baumeisterverband ist es unsere Aufgabe, dafür zu schauen, dass auf dem Markt alle gleich lange Spiesse haben. Wenn wir es schaffen, zusammen mit den Vergabestellen die Vergabekriterien so mitzugestalten, dass nicht das billigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot zum Zug kommt, hätten wir sehr viel erreicht.
Der 1. Mai ist vorüber, aber der Gesamtarbeitsvertrag GAV ist noch nicht verlängert. Was will der Baumeisterverband?
Erstens steht die Finanzierung des flexiblen Altersrücktritts FAR mit dem «Parifonds» an, der eine Unterdeckung hat. Andererseits läuft der GAV Ende Jahr aus. Den FAR wollen wir nicht mit dem GAV verknüpfen. Der Baumeisterverband ist klar der Ansicht, dass die Bauarbeiter mit 60 Jahren in Pension gehen können. Ein Problem haben wir. Die Beiträge sind auf Arbeitgeberseite massiv erhöht worden. Die Arbeitnehmer zahlen 1,5 Prozent, die Arbeitgeber 5,5 Prozent. Wir können nicht mehr, noch mehr zahlen. Wenn eine Kasse zu wenig Geld hat, muss man schauen, wo man die Ausgaben optimieren kann.
Welche Lösung haben Sie?
Ich denke an ein Wahlmodell. Wenn sich zum Beispiel jemand mit 60 pensionieren lassen will, hat er allenfalls ein bisschen weniger Rente. Andererseits könnte der Bauarbeiter noch 30 statt 20 Prozent arbeiten. Durch das hätte er eine kleinere Rente, kann sich aber mehr selber erarbeiten.
Was wollen Sie beim GAV?
Der GAV ist sehr umfassend. Ich kenne keinen besseren GAV als unseren. Er ist kompliziert, mit vielen Anhängen und so vielen Regelungen. Die Flexibilität des Unternehmers wird sehr stark eingeschränkt. Meine Mitarbeiter wollen etwa die starken, einschränkenden Regelungen gar nicht.
Können Sie ein Beispiel machen?
Es gibt Bauarbeiter, die länger arbeiten wollen. Ich muss nein sagen, weil wir nicht über 50 Stunden gehen können. Wir müssen die Leute bis Anfang März teilweise zu Hause lassen, weil wir die Überzeit abbauen müssen.
Die Fronten zwischen den Gewerkschaften und den Baumeistern sind verhärtet. Ist ein Kompromiss möglich?
Bevor man Kompromisse schliesst, sollten die Gewerkschaftsmitglieder und Arbeitnehmer befragt werden, welche Bedürfnisse sie haben. Von meinen 50 Angestellten sind vielleicht zwei in Gewerkschaften. Niemand hat ein Problem, und alle raufen sich die Haare, wenn solche überrissenen, utopischen Forderungen kommen. Die Gewerkschaften haben langsam ein Daseinsberechtigungsproblem.
Warum denken Sie das?
Da aus meiner Sicht nicht die Menschen im Zentrum stehen, sondern Ideologien von Seiten einzelner Funktionäre.
Den Baumeistern geht es aber sehr gut. Ein bisschen entgegenkommen wäre möglich.
Wenn es so wäre, wäre ich einverstanden. Wir haben aber festgestellt, dass wir im Vergleich zu 2016 eine Preisreduktion von 5 Prozent haben, und zwar auf der Ertragsstruktur, nicht auf der Ausgabenseite. Wir haben 5 Prozent weniger Einnahmen. Wenn ich meinen Leuten noch höhere Löhne bezahlen muss, auch wenn wir keine Teuerung hatten, bin ich nicht ganz der Meinung, noch entgegenzukommen. Wir haben schon 1,5 Prozent beim FAR-Beitrag erhöht.
Wie viel Zeit wenden Sie für das Präsidentenamt auf?
Zwischen 20 und 30 Prozent. Wir haben sehr gute Büro-Leute, Bauführer und Poliere. 30 Prozent tönt nach viel. Aber ich lerne neue Leute und neue Technologien kennen, knüpfe Kontakte. Das Geschäft profitiert schliesslich enorm.
Stimmt es hinten rechts?
Für das Geschäft oder für mich?
Das sollte ja einigermassen dasselbe sein.
Man kann das nicht immer so anschauen. Ich habe wegen des Präsidiums nicht einen Auftrag mehr. Aber ich bringe meine Unternehmung weiter, indem ich sehe, wie es andere machen. Weiterbildungen brächten auch neue Ideen ins Unternehmen. Vielleicht bin ich dank des Präsidentenamts etwas bekannter. Und das ist kein Nachteil.
Wie lange wollen Sie Präsident bleiben?
Zehn Jahre sind schnell vorbei. Mein Ziel ist nicht, nach zwei Amtsperioden zu gehen. Weil mein Kollege im Zentralschweizer Baumeisterverband bald pensioniert wird, werde ich als Nachfolger für das Präsidentenamt vorgeschlagen. Mein Ziel ist es, etwas zu bewegen und zu prägen.