Ein Radsport-Urgestein winkt «Goodbye»
Gemeinsam mit Fritz Bösch (85) feiert Emil Zimmermann am 17. Januar im Velodrome in Grenchen seinen 75. Geburtstag. Zuvor erklärt er in der «SportWoche», weshalb ihn der Radsport seit über 60 Jahren fasziniert.
Emil Zimmermanns Gesicht, es verrät sein Alter nicht. Wach sind seine Augen und scharf die Erinnerungen an seine Karriere im Profiradsport, die ihren Anfang in den 1950er-Jahren nahm; zu der Zeit, als die beiden ewigen Konkurrenten Ferdy Kübler und Hugo Koblet in der Schweiz eine regelrechte Radsport-Euphorie auslösten.
Das versteckte Velo
Emil Zimmermann wollte in den Radsport, sein Vater setzte ihm Fussball beim FC Sursee vor. Emil fuhr trotzdem Velo, heimlich, fernab der Augen des Vaters, indem er seinen Drahtesel nach jeder Ausfahrt auseinander schraubte und in einem Schrank im Keller versteckte. Das klappte ganz gut, bis zur Zentralschweizermeisterschaft 1960, als er den Tannberg hochfuhr, in die Arme des Vaters, der aus beruflichen Gründen zufällig am Wegrand stand.
Fortan hatte Emil Zimmermann den väterlichen Segen. Als «ziemlich guter Amateur» schaffte er es 1963 ins Nationalkader. Nach einem fürchterlichen Sturz im Strassenrennen von Altstetten fand er nach seiner Genesung jedoch keinen Platz mehr beim damaligen Nationaltrainer.
Emil Zimmermann wollte seinen Traum aber nicht begraben und fuhr per Velo nach Belgien, wo er bei einem Pferdehändler unterkam. Später arbeitete er bei einem Gemüsegrosshandel und brachte Früchte und Gemüse in die im Zweiten Weltkrieg zerbombten belgischen Dörfer in den Ardennen. Am Morgen arbeiten, am Nachmittag trainieren oder Rennen fahren. So mauserte sich Emil Zimmermann wieder zu einem guten Rennfahrer.
Als Ferdy Kübler rief
Im Rahmen der WM 1967 im niederländischen Heerlen traf das heutige Ehrenmitglied des VC Sursee auf Ferdy Kübler, der ihm einen Profivertrag anbot und ihn aus dem Exil in Belgien zurück in die Schweiz brachte. Bis zu seinem Karriereende 1971 fuhr Emil Zimmermann fünf Medaillen an Schweizermeisterschaften auf der Strasse und der Bahn ein. Er gewann unter anderem den Grand Prix von Fraîpont in Belgien und die Innerschweizerstrassenmeisterschaft. «Es war damals eine wunderschöne Zeit, Profi zu sein. Gemeinsam fuhr ich mit meinen Teamkollegen in einem Kleinwagen von Rennen zu Rennen. Es gab auch noch nicht 1000 Regeln, an die man sich halten musste. Selbst als Profi habe ich mir hie und da eine Cremeschnitte gegönnt», erinnert sich Zimmermann. Das Gefühl der grenzenlosen Freiheit war es, das der heute 75-Jährige auf seinem Velo verspürte. Während andere im Stollen arbeiten mussten, durfte er sich aufs Velo schwingen. Ein unglaubliches Privileg in der damaligen Zeit.
Auch nach seiner Profizeit blieb Emil Zimmermann dem Radsport treu. 1971 eröffnete er mit «Zimi-Sport» sein eigenes Sportgeschäft in Hochdorf und gründete sein erstes Amateur-Team. 1983 ging er als Verkaufs- und Marketingleiter zur Velofabrik Villiger in Buttisholz. 1990 rief er die erste namhafte Frauenradsportgruppe ins Leben. «Damals wurden die Frauen im Radsport belächelt oder mit blöden Witzen angemacht», so Emil Zimmermann.
Sohn tritt in die Fussstapfen
Emil Zimmermanns Sohn Ralph liess sich auch für den Radsport begeistern. Im Jahr 2000 gewann er das Jahresklassement auf der Bahn im Punktefahren, vor Bruno Risi und Franco Marvulli, «der Beginn einer aufregenden Zeit zwischen Vater und Sohn», sagt Emil Zimmermann gerührt.
2005 gründeten Fritz Bösch und Emil Zimmermann das Bigla Team, wo gestandene Profifahrerinnen und Nachwuchstalente gemeinsam am Erfolg arbeiteten. Nach zehn Jahren als Teammanager entschied sich Emil Zimmermann, ab der kommenden Saison kürzer zu treten. Die sportliche Führung übernahm 2015 Thomas Campana. In einem kleinen Pensum möchte Emil Zimmermann dem Bigla-Team aber als Sekretär im Büro noch erhalten bleiben, denn ein Leben ganz ohne Radsport könne er sich nur schwer vorstellen.
Auf den Spuren der Vergangenheit
Die kommende Freizeit möchte er nutzen, um mit seinem alten Wohnmobil auf Europatour zu gehen, um seine alten Radsportkollegen zu besuchen. Der Ruf der Freiheit, er lockt Emil Zimmermann auch im Alter von 75 Jahren noch.