Naturbelassene Quellen sind selten geworden
Ein Grossteil der Quellen in der Schweiz ist gefasst. Von den ungefassten sind viele zerstört oder beeinträchtigt. Im Kanton Luzern ist die Datenlage dünn.
Quellen sind besondere Lebensräume, die für die Biodiversität von hoher Bedeutung sind. Es sind Lebensräume, die aufgrund ihrer Ökologie von spezialisierten Tier- und Pflanzenarten besiedelt sind, die oft nur dort vorkommen – darunter einige gefährdete wie auch national prioritäre Arten (NPA), die als besonders schutzwürdig gelten. In den vergangenen 100 Jahren hat die Zahl der naturbelassenen Quellen in der Schweiz allerdings stark abgenommen: Bereits 1880 waren mehr als die Hälfte der Quellen im Mittelland gefasst. Schätzungen zufolge dürften heute lediglich noch 1 Prozent aller Quellen in naturbelassenem Zustand sein.
Kantone sind unterschiedlich weit
Der Bund hat das Problem erkannt und ist im Rahmen des Aktionsplans Biodiversität aktiv geworden. Möglichst bald soll ein nationales Verzeichnis der Quelllebensräume geschaffen werden, das dabei hilft, Quellen zu schützen und zu revitalisieren. «Ein Vergleich über die Kantone hinweg und eine gemeinsame Datengrundlage existieren derzeit nicht. Deshalb animieren wir die Kantone, Erhebungen durchzuführen, und versuchen, sie beim Schützen und Aufwerten von Quelllebensräumen in die Verantwortung zu nehmen», sagt Markus Thommen, stellvertretender Sektionschef Lebensraum Gewässer beim Bundesamt für Umwelt.
Ein Blick in die Kataster der Kantone zeigt, dass die Bemühungen, Quellen zu schützen, unterschiedlich weit gediehen sind. Eine Vorreiterrolle nimmt der Kanton Bern ein. Seit einigen Jahren wird vom Amt für Wasser und Abfall ein Inventar naturnaher Quellen erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass knapp 90 Prozent aller Quellen, die im Quellenkataster aufgeführt sind, gefasst sind. Von den ungefassten, die der Kanton überprüft hat, gilt fast die Hälfte als «zerstört» und ein Drittel als «beeinträchtigt».
Kantonale Erhebung fehlt
So weit wie in Bern ist man in Luzern nicht. Ein vergleichbares Inventar existiert nicht, bestätigt Werner Göggel, Abteilungsleiter Gewässer und Boden bei der Dienststelle Umwelt und Energie (Uwe) des Kantons. Zwar würden dem Kanton die Ressourcen für eine eingehende Untersuchung fehlen. «Doch dürfte die Situation im Kanton Luzern ähnlich gelagert sein wie in Bern», vermutet Göggel.
Miriam Peretti weiss von dem Problem. Die Projektleiterin betreut für Pro Natura Luzern die Anfang 2018 angelaufene nationale «Aktion Biber und Co.» in der Zentralschweiz. Im Fokus der Aktion stehen der Schutz und das Aufwerten zahlreicher Gewässerlebensräume, darunter auch von Quellen.
«Rad nicht neu erfinden»
«Es ist eine schwierige Ausgangssituation», sagt Peretti, die eben erst mit der Aufbereitung von Datenmaterial begonnen hat. Nur wenige Informationen seien über Quellen auf Privatgrund vorhanden, noch weniger über naturbelassene. Dem Urteil von Göggel schliesst sich Peretti jedoch an: Im Flachland seien wohl die meisten Quellen für die Trinkwassernutzung oder über Drainagen in der Landwirtschaft gefasst. «Nur in Bergregionen und im Wald ist die Wahrscheinlichkeit hoch, intakte Quelllebensräume vorzufinden.»
Peretti ist sich bewusst, dass die Problematik der verschwindenden Quelllebensräume noch nicht im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist. «Dabei wäre bei uns grosses Potenzial vorhanden – insbesondere beim Rückbau von alten, ungenutzten Quellfassungen. Hierzu muss das Rad nicht neu erfunden werden.» Gingen Meldungen aus der Bevölkerung über potenzielle Quellenstandorte ein, könne die «Aktion Biber und Co.» die Aufwertung unterstützen.