Die Volontärin dieser Zeitung (links) begibt sich höchst konzentriert in die Grundposition, damit sich das Brett nach dem Wind ausrichten kann.
Die Volontärin dieser Zeitung (links) begibt sich höchst konzentriert in die Grundposition, damit sich das Brett nach dem Wind ausrichten kann.
15.07.2018

Schwerelos über den Sempachersee surfen

Windsurfen auf dem Sempachersee. Oder für Anfänger: Rodeo auf dem See. Die Volontärin der «Surseer Woche» kann nun hinter einen Wunsch auf ihrer «Bucket List» ein Häkchen setzen.

 

Als schreite man über Wasser. Den Wind in den Haaren, Sonnenstrahlen im Gesicht, den Blick auf den Horizont gerichtet. Schwerelos. Frei. Und ohne dabei nass zu werden. Gemächlich, mit 1 km/h, gleite ich dahin. Die Windstille vermag weder meinen Willen, noch meine Zufriedenheit zu stören. Ich bin in meinem Element. Und damit meine ich nicht das Wasser. Angst vor dem kühlen Nass habe ich nicht. Schliesslich kann ich schwimmen und einigermassen gut tauchen. Doch die Vorstellung, in Umarmung mit dem Segel vorwärts in den See zu knallen, behagt mir nicht. Geschweige denn, rücklings zu fallen und vom Segelmast k.o. geschlagen zu werden. Nachdem ich mich eine geschlagene halbe Stunde auf dem schaukelnden Brett gehalten habe, bin ich zuversichtlich, dass das Worst-Case-Szenario nicht eintreten wird.

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Windsurfen in Kürze

Zwei Stunden vorher. Simon Jäger, Windsurflehrer im Caribbean Village in Nottwil, erklärt mir die Grundlagen des Windsurfens. Segel hochziehen. Grundposition einnehmen. Arme stets gestreckt halten. Warten bis sich das Brett nach dem Wind ausgerichtet. Fussposition ändern. Segel leicht Richtung Heck drehen. Hände an die Gabel und dann kann die Fahrt losgehen. Weiter zeigt er mir wie die Wende funktioniert. Nach der Theorieeinheit und einer Trockenübung an Land erklärt mich Simon Jäger für startbereit. In einen Neoprenanzug gehüllt, lassen wir die Bretter zu Wasser. «Der Wind ist dort, wo die Wasseroberfläche sich kräuselt», so Jäger und deutet zur Seemitte. Unsere erste Aufgabe lautet: kräftig Paddeln.

Fiese Vorahnungen

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Fünf Stunden vorher. Es ist Freitagnachmittag. Ich sitze in der Redaktion. Der Himmel ist grau und wolkenbefangen. Am Vormittag regnete es ab und zu ein wenig. Doch im Verlauf des Tages verwandelte sich das Tröpfeln – je näher meine Surfstunde rückte – in meinen Augen in einen monsunartigen Dauerregen. Ich frage mich, ob ich beim Surfen noch den Überblick behalten könnte, während mir der Regen unablässig ins Gesicht klatschte. Wird schon irgendwie gehen, sage ich mir. Schmerzlich wird mir bewusst, dass die Temperaturen nicht mehr über 15 Grad steigen würden. Der Neoprenanzug wird mich sicherlich warm halten, sage ich mir. Und angenommen der Regen lässt nicht nach, opfert sich bestimmt gerne einer der Arbeitskollegen als Regenschirmhalter für meinen Fotografen, sage ich mir. Meinen Beitrag an die Sommerserie habe ich mir anders vorgestellt.

Alleine auf dem See

Das Segel stabilisieren wir mit den Fersen, während wir bäuchlings auf den Sempachersee hinauspaddeln. Das Wasser fühlt sich angenehm kühl an, als ich die Arme bis zu den Schultern ins Wasser tauche. Das monotone Rudern übt eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Und als die Sonne sich schliesslich doch noch zwischen den Wolken hindurchschiebt, löst sich der allerletzte Zweifel in Luft auf. Der düstere Tag verabschiedet sich mit Sonnenschein. Damit hatte wohl niemand mehr gerechnet. Die verlassene Uferpromenade bestätigt das. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Der See gehört für einen Abend nur uns alleine.

Worte wie ein Mantra

Die Woge der Ruhe hält nicht lange. In der Seemitte angekommen, heisst es aufstehen und Segel hochziehen. Das Aufstehen ist der einfache Teil. Am gefühlt 20 Kilo schweren Segel zu ziehen, während das Brett gefährlich schaukelt, der schwere Teil. Doch nach zwei, drei Anläufen steht das Segel. Mit beiden Händen halte ich, wie angewiesen, den Mast fest. Das Brett ruckt hin und her. Mein Instinkt will mich verleiten, den Mast an den Körper zu ziehen, um Stabilität zu gewinnen. Oder sich festzuklammern. Doch die Anweisung lautet, Arme gestreckt halten. Also halte ich sie gestreckt. Mein Puls rast. Doch ich falle nicht. Noch nicht, denke ich.

Vom Adrenalin ergriffen, versuche ich mich an Simon Jägers Anweisungen zu erinnern. Vergebens. Gedächtnisverlust. Meine wenigen Kenntnisse des Windsurfens sind innerhalb weniger Sekunden verpufft. So ist das mit der Angst. Man kann nicht klar denken. Mir passiert nichts, mir passiert nichts. Wieder und wieder wiederhole ich die Worte in Gedanken wie ein Mantra. Und tatsächlich: Mir passiert nichts. Nach schwachen fünf Minuten hat sich mein Körper an das stetige Wackeln des Brettes gewöhnt. Auch das Segel habe ich in den Griff bekommen. Ich habe die Kontrolle.

Immer und immer wieder

Nun kann ich sie verstehen. Die Wellenreiter, die Stand-Up-Paddler, die Windsurfer. Auf dem Wasser vergeht die Zeit langsamer. Ob es am Adrenalinrausch oder an der friedlichen Stille liegt, weiss ich nicht. Vielleicht beides. Doch ich kann nachvollziehen, warum man es immer und immer wieder tun will.

Und wer jetzt sagt: «Windsurfen ist nichts für mich», dem kann ich nur raten, es zu versuchen. Das Erlebnis ist läuternd, wage ich zu behaupten. Und wer mehr nach Entspannung als Action sucht, dem rate ich dem Stand-Up-Paddling eine Chance zu geben. Schwerelos über den See Richtung Horizont zu gleiten, ist nämlich genauso schön wie es klingt.


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