Sursee: Kunst für den «Otto Normalverbraucher»
Die Kunst dem «Otto Normalverbraucher» zugänglich machen. Das will der Künstler Wetz mit seinem Kunsthaus mitten in der Surseer Otto’s-Filiale. Die Besucher des Eröffnungsevents zeigten sich beeindruckt.
«Eine Herde weisser Schafe ist mein Königreich.» Diesen volksmusikalischen Schlager, der schon die Leitmusik von Wetz’ Auftritt an der Expo.02 war, entlockte der Surseer Künstler an der Medienorientierung vom vergangenen Dienstagmorgen einem kleinen Ghettoblaster. Anlass war die Eröffnung des Kunsthauses Sursee mitten in der Otto’s-Filiale an der Infanteriestrasse. Damit gehe für ihn endlich ein seit 16 Jahren gehegter Traum in Erfüllung, freute sich Wetz, der dem Ganzen mit Krawatte und dunklem Anzug einen feierlichen Touch verlieh. Das Leben habe nichts mit Grösse, sondern mit Inhalt zu tun, philosophierte er und outete sich als «urkatholisch», als einer, der die Unordnung liebt: «Ich kämpfe wider die Versteifung der Welt. Eine Aufgabe, die ich als Künstler gefasst habe.»
Der Kunst das Elitäre nehmen
Vor diesem Hintergrund ist denn auch das Kunsthaus Sursee zu verstehen. Wetz möchte damit der Kunst den ihr anhaftenden elitären Nimbus entreissen, sie dem «Otto Normalverbraucher» zugänglich machen. «Ich will damit Leute abholen und für Kunst sensibilisieren, die niemals einen Fuss in ein Museum setzen würden», formulierte es der Surseer Künstler. Bei diesem Unterfangen gelang es ihm, den Otto’s-CEO Mark Ineichen ins Boot zu holen – die durch das Kunsthaus wegfallende Verkaufsfläche sorgt in der umsatzstärksten Filiale der Schweiz immerhin für 62’000 Franken weniger Umsatz. Mit dabei sind auch die Filialleiterin Jeannette Woodtli, die als Direktorin des Kunsthauses Sursee fungiert, und ihre Mitarbeiterin Dafina Pepaj, die Wetz zur Vizedirektorin erkor. Seitens des KKLB leitet Kathrin Rölli das Projekt.
Nach der Einleitung war es an der Zeit, im Kunsthaus Sursee einen Augenschein vorzunehmen. Eingestimmt wird man durch drei Skulpturen über dem Eingang in das Warenhaus. Allfällige Bedenken erstickte Wetz gleich zu Beginn: «Wir haben das abgeklärt. Es ist statisch kein Problem.» Dann, mitten im Laden, leuchtet einem die Kunst schon von Weitem entgegen: Ultramarin und golden ragt der Kunsttempel aus dem Gewirr der Verkaufsgestelle. Der Dachkranz ist eine Installation der in Büron aufgewachsenen und in Biel lebenden Künstlerin Monika Steiger.
Von Urin bis Tinguely
Die Hauptfassade des Kunsthauses ist gegen die Möbelabteilung ausgerichtet, da dort die Sichtbarkeit von Weitem am besten gewährleistet ist. Beim Eingang entrichtet man einen bescheidenen Obolus – einen Franken für Erwachsene, 20 Rappen für Kinder –, der beim Einwurf der Münzen wunderschön klingelt. Drinnen offenbart sich das Wetz-Universum: Ausgestopfte Schafe gleich unterhalb des weihnächtlich geschmückten Himmels, flankiert von einer Konsole mit professioneller Unordnung, die gemäss Wetz bereits so gut wie verkauft ist – für 8500 Franken. Rund um den Tempel werden diverse Kunstwerke feilgeboten. Die Palette reicht von Skurrilem wie zwei Einmachgläsern mit Urin von KKLB-Besuchern (170 Franken) bis hin zum gemeinsamen Bild von Jean Tinguely und Wetz für 23’000 Franken.
«Das ist ganz verreckt»
Am Abend dann empfing die Besucherinnen und Besucher der Kunsthaus-Eröffnung eine Kleinformation der Stadtmusik Sursee, die auf dem Sigmatic-Gelände unablässig auf und ab defilierte und das Schaf-Lied intonierte. In Gruppen nahm man das Kunsthaus in der Otto’s-Filiale unter die Lupe – und zeigte sich allenthalben beeindruckt. «Das ist ganz verreckt. Dem Wetz kommt etwas in den Sinn», meinte etwa Godi Stalder aus Sursee. Auch die Schenkoner Sozialvorsteherin Marie-Therese Vogel war begeistert, nachdem sie ein eingerahmtes Foto von Wetz mit Schafen erworben hatte: «Wetz ist ein verrückt-genialer Entlebucher, welcher der Zeit weit voraus ist.» RET-Präsident Charly Freitag attestierte dem umtriebigen Künstler, sehr unkonventionell zu sein, was ihn sympathisch mache. Und der Surseer FDP-Ortsparteipräsident Hans Bachmann erblickte im Kunsthaus eher einen «Kunst-Discount» und ein «Zihlenfeldlöchli im Miniformat».
Eine schräg-heitere Performance
Wetz wäre nicht Wetz, wenn er aus dem anschliessenden Apéro nicht eine schräg-heitere Performance gemacht hätte. Rund um die vermutlich längste Bar der Schweiz hingen Snacks – von Wurst über Chips und Grissini bis zu Schoggi-Eiern und Gummibärchen – von der Decke der leergeräumten Sigmatic-Halle. Wetz unterzog seine Weggefährten in diesem Projekt und einige Gäste spontanen Interviews, liess das Publikum das Schaf-Lied singen und beteiligte sich mit der Mundharmonika an einer Jam-Session mit dem legendären Perkussionisten Pierre Favre. Das Gebotene liess so manchen und manche einfach nur staunen. Was wohl viele dachten, brachte Mark Ineichen auf den Punkt, als er sagte: «Die Welt wäre viel langweiliger ohne Wetz. Sie bräuchte viel mehr solcher Typen.» Daniel Zumbühl