Joel Jung und Andrea Violka räumen gemeinsam die Einkäufe ein. (Foto Michael Hausheer)
Joel Jung und Andrea Violka räumen gemeinsam die Einkäufe ein. (Foto Michael Hausheer)
25.04.2021

So lebt es sich es in einer Para-WG «im Dorf»

von Michael Hausheer

In drei WGs leben in Schenkon elf junge Para- und Tetraplegiker zusammen. Nach bald einem Jahr ziehen die Projektleitenden ein positives Fazit. Dennoch birgt der Alltag in der ParaWG auch gewisse Herausforderungen.

Im Juli 2020 eröffnete die erste Para-WG in der neuen Überbauung «im Dorf» in Schenkon ihre Tore. Es handelt sich um ein Projekt der ParaHelp, einer Tochtergesellschaft der Schweizer Paraplegiker-Gruppe. Die Para-WG stiess auf eine grosse Nachfrage, und so folgten im August und Januar eine zweite und schliesslich dritte WG. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind zwischen 17 und 27 Jahre alt. Sie sind alle auf den Rollstuhl angewiesen und nutzen das befristete Angebot jeweils zwischen einem halben und drei Jahren.

Angebot schliesst Lücke

Andrea Violka, Leiterin der Para-WG, sieht in dem Projekt ein Angebot, das eine bedeutende Lücke schliesst. «Für mich ist es ein Herzensprojekt. Es ist unglaublich wichtig, den jungen Erwachsenen beim Schritt in die Selbstständigkeit zu helfen. Das Loslösen von zu Hause, der Schritt ins Erwachsenwerden – das sind ohnehin Schlüsselmomente», so Violka. «Wir evaluieren das Projekt regelmässig. Nach nun bald einem Jahr hat sich die Para-WG ganz klar bewährt.».

aaa

Joel Jung ist einer der Bewohner der Para-WG. Seit Oktober wohnt der 22-jährige Tetraplegiker aus Ermensee nun in Schenkon. Im Januar 2020 hatte er einen Autounfall und befand sich danach für neuneinhalb Monate im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil.

Mit dem Umzug in die Para-WG habe er viel Selbstständigkeit zurückgewonnen. «Anfangs gestalteten sich ganz alltägliche Dinge noch viel schwieriger. Wenn ich zu Hause geblieben wäre, hätte ich wohl viele Dinge nicht so schnell lernen müssen wie hier», sagt Joel Jung. Hilfreich sei auch die Tatsache, dass alle Bewohner und Bewohnerinnen in einer ähnlichen Situation seien. «Es ist viel Solidarität vorhanden. Der eine kann vielleicht etwas schon ein bisschen besser, der andere wiederum etwas anderes, da hilft man einander», so Jung. Oft könne man sich gewisse Bewegungen und Tricks abschauen und so schneller lernen.

Normaler WG-Alltag

«Ich fühle mich sehr wohl in der WG. Das Zusammenwohnen klappt gut, und ich gewöhne mich schnell und gerne an neue Leute», erzählt Joel Jung. Trotzdem ergäben sich auch Situationen, die jeder kennt, der schon mal in einer WG gelebt hat. So komme es gelegentlich zu den üblichen WG-Kabbeleien, wenn jemand zum Beispiel seine Sachen nicht wegräumt oder vergisst, die Toilette zu putzen.

bbb

«Wir wechseln uns beim Znachtkochen ab, da gibt es auch die normalen Situationen, dass der eine zum Beispiel Gemüse nicht mag oder jemand sich nur laktosefrei ernähren kann», berichtet Jung. «Es ist spürbar, dass wir alle lernen wollen, die üblichen Alltagssituationen zu meistern und etwas zu erreichen. Man macht gerne mehr, um diese Dinge konkret zu üben.»

Beruflicher Wiedereinstieg

Um als potenzieller Bewohner oder Bewohnerin für die Para-WG in Erwägung gezogen zu werden, besteht das Kriterium, dass man sich in einer Arbeitsstruktur befindet. Auch Joel Jung nimmt mit ParaWork an einem Aufbauprogramm teil, das die berufliche und soziale Wiedereingliederung vorantreiben soll.

In dessen Verlauf wird geprüft, wo die individuellen Fähigkeiten liegen und welche möglichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bestehen. Joel Jung, der vor seinem Unfall als Maurer arbeitete, wird nicht in seinen ursprünglichen Beruf zurückkehren können. «Mir schwirrt vieles im Kopf rum. Klar ist, dass ich wieder etwas Vernünftiges machen will. Vielleicht im Sozialen, wo ich mit Leuten arbeiten und wo man auch das Maul gebrauchen kann», führt Joel Jung aus.

Für ihn geht die Zeit in der Para-WG in Schenkon bald schon zu Ende. Auf Mitte Mai sei eine Operation an beiden Armen vorgesehen, um die beiden Trizeps wieder funktionsfähig zu machen. Anschliessend ziehe er zurück ins Haus seiner Eltern, wo er in einem eigenen Studio wohnen werde. «Ich fühle mich fit, das anzugehen. Bei manchen Dingen werde ich noch Hilfe brauchen, doch habe ich hier gelernt, diese für mich zu organisieren.»


Schon gelesen?

Anzeigen

Zum E-Paper

Lesen Sie unser wöchentlich erscheinendes E-Paper und tauchen Sie ein in spannende Reportagen, Politkrimis und erfahren Sie das Neuste aus Ihrer Gemeinde.

zum ePaper

Meistgelesen

Instagram