Ob das Bodenleben intakt ist, wird im Film mit dem «Projekt Unterhosen» ermittelt. Es ist ein untrügliches Zeichen, ob Vielfalt und Menge der Mikroorganismen vorhanden sind. (Foto zVg)
Ob das Bodenleben intakt ist, wird im Film mit dem «Projekt Unterhosen» ermittelt. Es ist ein untrügliches Zeichen, ob Vielfalt und Menge der Mikroorganismen vorhanden sind. (Foto zVg)
19.11.2024

Kann landwirtschaftlicher Boden das Klima retten?

von RED (1)

Josef und Lotti Stöckli, die Dokumentarfilmer aus Schenkon, arbeiten an einem neuen Film. Es geht um die agrarökologische Landwirtschaft, den biologisch fruchtbaren Boden und die positiven Auswirkungen auf das Klima. Josef Stöckli beantwortet Fragen dazu.

Josef Stöckli, Sie arbeiten zusammen mit Ihrer Frau Lotti an einem neuen Filmprojekt zum Thema «Landwirtschaftlich genutzter Boden und Klima». Was gab den Anstoss dafür?

Den Anstoss gaben diverse Filmprojekte zu sozialen, landwirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Themen, die wir in den vergangenen zehn Jahren realisierten und bei welchen wir immer wieder auf den Boden stiessen.

Ist der Boden wichtig?

Ja, ohne Boden könnten wir nicht überleben. Die Böden liefern Nahrungsmittel, sie filtern das Wasser und regulieren das Klima. Doch trotz dieser lebenswichtigen Funktionen schützen wir die Böden nicht. Pro Jahr verlieren wir weltweit über 10 Millionen Hektaren an fruchtbaren Böden. Das ist das Vierzigfache der gesamten Ackerfläche der Schweiz.

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Inwiefern sind die Auswirkungen auf das Klima positiv?

Die Böden speichern viel CO.

Alle Böden?

Nein, leider nicht, nur die gesunden. Sie sind nach den Ozeanen die grössten Kohlenstoffspeicher der Erde. Sie speichern mehr Kohlenstoff als alle Wälder der Erde zusammen.

Wann ist der Boden gesund?

Es muss sich ständig neuer Humus bilden können, und dieser Humus muss dauerhaft gespeichert werden können. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, könnten die globalen Landwirtschaftsflächen jährlich mehr Kohlenstoff aufnehmen als weltweit ausgestossen wird.

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Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit sich ständig neuer Humus bilden kann?

Gesunder Boden enthält Milliarden von kleinsten Lebewesen, die sogenannten Mikroorganismen. In einer Handvoll Erde gibt es mehr Organismen als Menschen auf der ganzen Welt. Sie sind es, die das organische Material des Bodens in Humus umwandeln. Ob das Bodenleben intakt ist, wird im Film mit dem «Projekt Unterhosen» ermittelt. Es ist ein untrügliches Zeichen, ob Vielfalt und Menge der Mikroorganismen vorhanden sind.

Gehört auch der Regenwurm dazu?

Ja, der Regenwurm ist der Superheld des Bodens. Bis zu 250 Stück leben pro Quadratmeter in einem intakten Boden. Der Wurm kann etwas, das andere Bodenlebewesen nicht schaffen: Er frisst pro Tag ungefähr die Hälfte seines Körpergewichts. Mit dem Mund am vorderen Teil des Körpers packt er kleinste Blätterstücke, und zusammen mit mineralischem Bodenmaterial mischt sich das alles in seinem Bauch. Hinten kommt es als nährstoffreicher Kot wieder heraus und steht den Pflanzen in Form von Humus wieder zur Verfügung. 600 Tonnen sind es jedes Jahr auf einer Hektare Ackerland. Deshalb sind Regenwürmer so wichtig, denn sie sorgen für Fruchtbarkeit, Luft und mehr Humus im Boden. Wer sie zerpflügt, zerhäckselt, zerdrückt, mit Chemikalien vergiftet, kann nicht mehr auf sie zählen.

Auch die agrarökologische Landwirtschaft ist den Launen der Klimaveränderung ausgeliefert.

Das stimmt. Trockene, heisse Sommer oder dann sintflutartige Regenfälle machen auch ihr zu schaffen. Mit dem Mulchanbau versucht man, die schlimmsten Folgen abzuwenden. Der Mulch schützt vor starkem Regen und hilft mit, dass der Boden nicht austrocknet. Zudem düngt er, gibt Nährstoffe ab und ernährt so das ganze Bodenleben.

Welches Mittel wählten Sie, um dem Publikum diese Zusammenhänge aufzuzeigen?

In unserem Film porträtieren wir den Landwirtschaftsbetrieb «Slow Grow» in Mönchaltorf, der schweizweit einmalig ist und dem Boden oberste Priorität einräumt. Um das natürliche Potenzial des Bodens nutzen zu können, geht man neue Wege und hat Erfolg: ohne Pestizide, ohne Pflug und ohne chemischen Dünger. «Slow Grow» erhielt letztes Jahr den Klima-Hauptpreis beim Prix Climat für zukunftsorientierte, innovative und nachhaltige Landwirtschaft, verliehen von Amnesty International, WWF, Biovision, Greenpeace und anderen. Betriebe wie «Slow Grow» haben Vorzeigecharakter und können Impulse geben auf dem Weg in eine agrarökologische Zukunft.

«Slow Grow» verzichtet auf Dünger und Pestizide. Wie sind die Erträge?

Die Erträge sind konstant hoch, dies dank eines intakten und gesunden Bodenlebens. Bei den Kartoffeln etwa waren es in den letzten Jahren stets etwa 40 Tonnen pro Hektare. Das ist fast das Doppelte eines Bio-Ertrags.

«Slow Grow» heisst «langsam wachsen». Was heisst das konkret?

Ja, ohne Dünger wachsen die Pflanzen in natürlichem Tempo – so, wie es die Natur zulässt. Dadurch sind die Pflanzenzellen kompakter und stabiler. Sie entwickeln eine höhere Resistenz gegen Schädlinge. Und letztlich hat dieses langsame Wachsen auch einen positiven Einfluss auf Geschmack und Nährstoffdichte der Produkte.


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