Wenn es Ernst wird im «Familienspiel»
Der Trienger Peter Weingartner bleibt sich in seinem dritten Krimi «Familienspiel» treu: kein grosser Plot mit unerträglicher Spannung. Aber Sprache zum Geniessen, Familienintrigen zum Verdauen, Wortwitz zum Erheitern.
Er hat noch nicht alle kriminalistischen Rätsel gelöst, der Oberleutnant der Luzerner Kriminalpolizei, Anselm/Selmi Anderhub. Gelegentlich wird ihm unterstellt, «er fische häufig im Trüben» – und trotzdem: Er löst sie alle, auch die kriminellsten Fälle. Denn er kann sich auf sein Bauchgefühl verlassen. Das ist wohl weiter nicht erstaunlich bei diesem ansehnlichen Männerbauch, den er mit sich trägt. Diese «Lebensverkürzungsschwarte» kommt auch nicht von ungefähr: Schoggistängeli noir und Cremeschnitten und grosszügig gefüllte Nussgipfel mag er eigentlich immer.
«Wo geerbt wird, stirbt die Minne»
Wie es sich gehört in einem Kriminalroman gibt es Tote. Hier reichlich spät, erst im letzten Drittel des Buches. Aber vorher schon stochert der Kommissar in der verworrenen Familiengeschichte der Aberwiler Bühler-Sippe herum; für ihn sind die Verstrickungen und Verfeindungen in diesem Clan augenfällig. Endgültig dann, als es nach dem überraschenden Tod der 88-Jährigen – die partout nicht ins Altersheim wollte – etwas zu erben gäbe. «Wo geerbt wird, stirbt die Minne.» Das ruft potenziell Begünstigte auf den Plan und macht andere besonders misstrauisch und neidisch. Vollendet wird das «Familienspiel», als auch noch ein dreissigjähriges Geheimnis gelüftet wird.
«Demokratur» und ökumenische Jasskarten
Ein reich gefüllter Krimi aus dem vollen Leben. Mit «Schicksalsergebenen» im Altersheim, das eine Auslastung von gegen 100 anstrebt. Und mit Güllenkontingenten und Umzonungen. Es kommen Schmarotzer vor und «Beinahe-Zwillingsschwestern» und «Baulandvergeuder». Es gibt Drohbriefe und Messerattacken. Ein baufälliger Speicher wird «heiss abgebrochen», ein Auto wird demoliert und «beschriftet».
Und en passant erfährt man, wie Cremeschnitten fachmännisch zerlegt werden, dass Jasskarten ökumenische Karten sind, dass die freien Parkplätze vor der Kirche auf den «ausgedünnten Service clérical» deuten. Und wie sich die «Demokratur» definiert.
Land und Leute, Habgier und Missgunst
Nicht ganz auf die Rechnung kommen möglicherweise eingefleischte Krimifans, die mit grösster Spannung das Ende kaum erwarten können, wenn Täter oder Täterin überführt werden, sogar erst im letzten Satz. Dafür hat man wortreiche Beschreibungen von Land und Leuten auf dem Land, von Sursee und Schenkon – und Aberwil. Hinterhältige Einblicke in Familienbanden mit Intrigen und Vertuschungen. Oberster Grundsatz: den Schein wahren. Und Habgier und Missgunst «pflegen».
Ein grosser «Schreiber»
Nach «Derniere» und «Gansabhauet» der dritte Krimi von Peter Weingartner. Er selbst bezeichnet sich als «Schreiber». Das ist nicht nur eine Untertreibung oder falsche Bescheidenheit – das ist eine Auszeichnung. Denn schreiben, das kann er, das beherrscht er. In allen Facetten: wortschöpfend, wortverdrehend, fantasievoll, ausufernd gelegentlich – aber nie langatmig. Erheiternd und erfrischend.
Originell und die Fantasie anregend sind auch die Kapitelüberschriften, jeweils ein Wortpaar: «Baumwolldampf & Sauerkraut», «Geburtshilfe & Quittengelee», «Krampfadernprophylaxe & Schnellzüge». Da lässt sich rätseln, da kann man sich überraschen lassen, Kapitel für Kapitel, bis man das Buch – leider! - weglegen muss.