Willkommen im Zeitalter der Transparenz
«Whistleblowing» und «Kartelle» prägen seit dem Frühjahr die politische Diskussion in der Schweiz. Whistleblower sollen im neuen Gesetzesentwurf besser geschützt sein. Absprachen unter Unternehmen werden durch die Wettbewerbskommission aufgedeckt. Korrekte Beschaffungen und Augenmass sind das Gebot der Stunde. Dies die Erkenntnisse des Podiums vom vergangenen Mittwoch an der Universität Luzern. Die Studentenverbindung Semper Fidelis hat diesen öffentlichen Anlass im Rahmen der Feierlichkeiten ihres 175-jährigen Bestehens organsisiert.
Ständerat Hans Wicki als Präsident von bauenschweiz, der Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft, Nationalrat Karl Vogler als Mitglied der nationalrätlichen Rechtskommission und Frank Stüssi als Vizedirektor des Sekretariates der Wettbewerbskommission (WEKO) kreuzten die Klingen zu den Themen «Whistleblowing» und «Kartelle». Der Bundesrat veröffentlichte kürzlich seine überarbeitete «Whistleblower-Vorlage» (Teilrevision des OR). Wie soll sich ein Arbeitnehmer verhalten, wenn er bei seinem Arbeitgeber Unregelmässigkeiten feststellt? Das Parlament wird demnächst darüber befinden. Kantonsrat Mike Bacher moderierte das öffentliche Podium an der Universität Luzern.
Der Arbeitgeber als erste Anlaufstelle
Nationalrat Karl Vogler zur neuen Vorlage: «Der Whistleblower wird nur geschützt, wenn er sich an den gesetzlichen Ablauf hält. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich die erste Anlaufstelle.» Nur falls er nicht tätig werde, dürfe der Arbeitnehmer die zuständigen Behörden informieren. «Die Information der Öffentlichkeit wiederum ist noch strenger geregelt», so Vogler. Beispielsweise, wenn der Arbeitgeber wegen der Meldung an die Behörde dem Arbeitnehmer kündigt. Vogler hielt fest: «Diese Kaskade muss eingehalten werden». Hier äusserte sich Ständerat Hans Wicki skeptischer: «Damit bauen wir den Staat aus.» Zudem dürfe die Gesetzesrevision nicht zu einem Denunziantentum ausarten. Die Wirtschaft beruhe wesentlich auf dem Treueverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Die Bauwirtschaft will einen «Code of Conduct»
Whistleblower spielen gemäss WEKO-Vizedirektor Frank Stüssi eine zentrale Rolle bei der Aufdeckung von Kartellen. Dem Gemeinwesen entstünden infolge Submissionsabreden 10-40 Prozent überteuerte Vergaben. Stüssi: «Wir brauchen Beweise. Ein wichtiges Instrument sind dabei die Hausdurchsuchungen.» Wicki betonte, dass sich nicht nur die Baubranche mit dem Kartellrecht herumschlage. Und es sei nicht ein Problem der Bauwirtschaft, sondern eine regionale Frage. Innerhalb von geographisch abgetrennten Einheiten sei die Gefahr von Absprachen grösser – unabhängig von der Branche. Die Bauwirtschaft arbeite gemäss Wicki an einem «Code of Conduct».
Die Verhinderung von Kartellen
Die WEKO sieht insbesondere den Submissionsbereich als anfällig für Kartelle. Im Fokus von bauenschweiz wie auch der WEKO stehe deshalb die Prävention. Dafür brauche es, so Stüssi, eine regelmässige Sensibilisierung der Vergabestellen sowie einen klaren politischen Willen. Wicki sieht aber mit den neuen Bestimmungen eine zu rigide Regelung. Man dürfe das lokale Gewerbe nicht desavouieren. Betreffend Kartelle im öffentlichen Submissionswesen hält er fest: «Die Bevölkerung hat nicht das Anrecht, das günstigste Angebot zu haben, aber das Anrecht, dass es funktioniert.»
Die Zeiten haben sich geändert
Eines zeigte die Diskussion klar auf: Die Zeiten haben sich geändert. Absprachen unter Unternehmen sind illegal. Im Submissionswesen dürfen, so Stüssi, die Beschaffungsstellen keine Geschenke mehr annehmen: «Auch keine Nachtessen und Spengler-Cup-Tickets». Nur dürfe das Pendel nun nicht zu stark auf die andere Seite tendieren, meinte Wicki. Und weiter: «Wir wollen keine Rufschädigung und kein Denunziantentum.» Das Parlament wird die Vorlage noch behandeln. «Die Suche nach dem goldenen Mittelweg geht weiter», schloss der Moderator Mike Bacher. Aber die Botschaft sickerte durch: Transparenz, Ehrlichkeit, Moral und Vertrauenswürdigkeit sind im Submissionswesen gefragt.