«Wir müssen uns dem Markt anpassen»
Im Kanton Luzern lebt jedes vierte Schwein der Schweiz. In nächster Zukunft kommen einige Veränderungen auf die Branche zu. Das sagte Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, an der DV von Suisseporcs in Willisau. Die Branche produziert zu viele Schweine.
Über die letzten Jahre seien all die Ansprüche, die bis anhin an die Tierhaltung gestellt worden seien, vorbildlich umgesetzt worden, sagte Christian Hofer anlässlich der DV von Suisseporcs im Interview. «In der Schweinehaltung, aber auch in den anderen Tierhaltungen, steht die Schweiz an einem sehr guten Ort – wir sind wahrscheinlich sogar Weltmeister», führte er weiter aus.
Schweine, Hühner, aber auch Kühe würden heute sehr tierfreundlich gehalten. «Wahrscheinlich könnte die Anzahl der Tiere aber auch noch stark erhöht werden, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten noch mehr auf Labelprogramme umsteigen würden», relativierte Christian Hofer etwas. Die Verkäufe in diesem Bereich seien eher stagnierend, entsprechend könnten die Möglichkeiten noch weiter ausgeschöpft werden: «Ich glaube, da wäre im Sinne der Nachfrage noch Potential da, was dann auch noch mehr Tiere in diesen tierfreundlichen Haltungssystemen nach sich ziehen würde.»
Potenzial bei Energieproduktion
Im Bereich der ökologischen Aspekte wie den Nährstoffkreisläufen und Foodwaste sowie bei der Energieproduktion gäbe es für die Schweinehaltung aber noch einige Lücken zu schliessen. Allerdings bremsen nicht die Schweizer Schweinehalterinnen und Schweinehalter, sondern Raumplanungsgesetze und Gesetze zur Lebensmittelsicherheit.
Hier tue sich aber etwas, meinte Christian Hofer: «Gerade bei der Energiestrategie wird man zukünftig stark auf dieser Schiene fahren, dass die Schweizer Landwirtschaft gerade mit der Biogasproduktion – beispielsweise aus Schweinegülle – und der entsprechenden Energie, die dann zu Verfügung stehen wird, die Möglichkeit bekommt, ihren Beitrag zu leisten.»
Diese Möglichkeiten würden in Zukunft noch mehr gestützt und gefördert werden, sodass dies ausgedehnter umgesetzt werden könne. Auch im Bereich der Nährstoffkreisläufe und der Abfallverwertung werde daran gearbeitet, dass beispielsweise Schlachtabfälle teilweise wieder zurück in die Tierernährung geführt werden können. «Dort gibt es aber noch gewisse Hürden, etwa dass die entsprechenden Rohstoffe getrennt werden müssen, dass beispielsweise kein Kannibalismus entsteht», erklärt der BLW-Direktor.
Insbesondere das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen arbeite aber intensiv daran, dass diese Kreisläufe wieder erschlossen und geschlossen werden können und die wertvollen Proteine nicht verbrennt werden müssten.
Chancen und Herausforderungen
Das Schwein und die Schweinehaltung würden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, ist Christian Hofer überzeugt. «Beispielsweise gerade indem man all die Nebenprodukte aus der Lebensmittelverarbeitung über die Schweinehaltung wieder verwenden und im Kreislauf behalten kann», erklärte er. Auch bei der Tierhaltung selbst würden sich Chancen bieten: «Ich glaube, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Vertrauen haben in die fortschrittlichen Haltungsformen, denn genau hier kann sich die Schweiz entscheidend differenzieren gegenüber den Haltungsformen im Ausland.»
In Zukunft müsse sich die Schweizer Schweinehaltung aber wohl mit der Tatsache auseinandersetzen, dass der Konsum von Fleisch allgemein eher etwas abnehmen werde. Ausserdem sei mit der Schweinehaltung auch ein starker Import von Futtermitteln verbunden und des Weiteren würde hierzulande viel Ackerfläche verwendet, um die Schweine direkt zu ernähren. «Das sind sicher Entwicklungen, für die wir in Zukunft Lösungen finden müssen», gibt Christian Hofer zu bedenken. Es sei nämlich fraglich, ob es in der Schweinehaltung in dieser Dimension, wie sie sich heute abspiele, so weitergehen werde oder ob es nicht eher in einer reduzierteren Form stattfinden wird.
Im Interview erklärt Meinrad Pfister, Präsident der Branchenorganisation Suisseporcs, aus Altishofen, warum er rät, mit der Schweineproduktion aufzuhören.
Meinrad Pfister, Wie steht die Branche da?
Es ist herausfordernd – insbesondere die Marktsituation macht uns Kopfzerbrechen. Der Markt hat wieder gedreht, wir haben eine strukturelle Überproduktion und dem müssen wir uns stellen. Wir haben es eigentlich selbst in der Hand, aber das ist schwierig. Wer soll aufhören, wer macht weiter? Wir versuchen es mit Aufklärung, versuchen Transparenz herzustellen und gut zu informieren, wie die aktuelle Situation aussieht. Schlussendlich muss aber jeder Betrieb für sich entscheiden, was das Beste ist. Wir als Verband haben keine Stellschrauben, um zu reagieren: Wir handeln keine Schweine und wir können auch niemandem verbieten, Schweine zu halten. In der heutigen schnelllebigen Zeit sind wir auf dem Markt auch immer einen Schritt zu spät. Bis wir auf eine veränderte Angebot-und-Nachfrage-Situation reagieren können, hat sich die Situation bereits wieder verändert und wir haben viel Geld in den Sand gesetzt.
Wenn ein Verbandspräsident an einer Versammlung seine Mitglieder dazu aufruft, aufzuhören, ist das schon ein krasses Statement, nicht?
Die Produktion für das aktuelle Jahr ist aufgegleist, die Besamungen haben stattgefunden und wir sind zu hoch. Das muss jedem klar werden. Es ist auch nicht dass erste Mal, dass ich sowieso schon zweifelnde Schweineproduzentinnen und Schweineproduzenten anhalte, allenfalls aufzuhören. Es bringt nichts, um den heissen Brei herumzureden und ich glaube, es wird geschätzt, dass man einfach ehrlich ist. Jede und jeder, der sich aktuell überlegt, sich in eine andere Richtung zu entwickeln, wird gern gesehen. Das ist einfach so.
Gäbe es keine andere Lösungen?
Die Alternative wäre, dass wir eine solidarische Reduktion verfolgen würden: Jeder Betrieb würde 10 Prozent weniger Schweine halten. Für mich ist dies allerdings nicht vertretbar. Wir können bei der teuren Infrastruktur nicht in halbvollen Ställen Schweine produzieren – das geht einfach nicht. Schlussendlich wird kein Weg daran vorbeiführen, dass sich gewisse Betriebe neu ausrichten müssen. Wir müssen uns dem Markt anpassen.