Der Geschäftsführer Bildung am Campus Sursee, Thomas Stocker, sieht künstliche Intelligenz als Chance in der Baubranche, unter anderem für neue attraktive Berufe. (Foto Geri Wyss)
Der Geschäftsführer Bildung am Campus Sursee, Thomas Stocker, sieht künstliche Intelligenz als Chance in der Baubranche, unter anderem für neue attraktive Berufe. (Foto Geri Wyss)
17.09.2023

Präsentiert ein Roboter dem Bauherrn bald den Baufortschritt?

von Geri Wyss

Auch in der Baubranche fasst die Künstliche Intelligenz (KI) immer mehr Fuss. Der Geschäftsführer Bildung des Campus Sursee, Thomas Stocker, erläutert genauer, in welche Richtung die Reise geht und was heute schon alles dank KI in der Baubranche möglich ist.

Der Schweizerische Baumeisterverband hat die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Baubranche genauer unter die Lupe genommen, nachzulesen auf dessen Webseite. So schreibt der Dachverband der Schweizer Bauwirtschaft unter anderem, dass der Einsatz von KI in der Baubranche noch vergleichsweise tief ist, gerade auch bei KMUs, welche das Schweizer Bauhauptgewerbe ausmachen. Damit KI gewinn- und nutzbringend eingesetzt werden kann, braucht es viele Daten über einen längeren Zeitraum, aus welchen Algorithmen generiert werden können. Solche Daten sind nichts anderes als vergangene Bauprojekte, aus denen Maschinen lernen können. 

Bessere Projekte, weniger Risiken

Und dennoch gebe es schon einige Anwendungen von KI, vornehmlich auf globaler Ebene, hält der Baumeisterverband weiter fest. So können etwa am Computer Projektplanungen optimiert und Risiken von Bauprojekten minimiert werden oder intelligente Drohnen überwachen Baustellen, machen diese effizienter und merzen Schwachstellen aus. Auch gibt es heute schon autonom arbeitende Baumaschinen. Laut dem Baumeisterverband stellt aber generatives Design eine der grössten Stärken von KI dar: Die Fähigkeit, viele verschiedene Variationen eines Modells zu untersuchen, um die beste Option zu finden. Bisher wird generatives Design erst eingesetzt in der Fertigung, aber Unternehmen arbeiten auch an der Einführung im Bau, und zwar in Kombination mit Building Information Modelling (BIM). 

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Der Campus Sursee bietet Weiterbildungen zu digitalem Bauen wie beispielsweise mit BIM an. Thomas Stocker, Geschäftsführer Bildung am Campus Sursee und Mitglied der Geschäftsleitung, erläutert genauer, was Künstliche Intelligenz beim Bauen heute schon vollbringt und wie die Zukunft aussehen könnte. 

Thomas Stocker, was bedeutet «Building Information Modelling» (BIM) genau?

BIM bedeutet, dass in der Planungsphase ein digitaler Zwilling von Bauwerken als Modell entsteht, welchersämtliche Daten, die zum Planen, Bauen und Bewirtschaften eines Gebäudes nötig sind, enthält. Dank BIM-Modellen vermessen Robotikstationen auf Baustellen digital, werden Baumaschinen gesteuert oder Bauabläufe simuliert, kann die Qualität überprüft werden, können CO2-Bilanzen erstellt werden, liegen Daten zur Erneuerung oder dem Rückbau von Gebäuden vor usw. Der Campus verfügt über ein einzigartiges BIM-Labor.

Welche Anwendungen Künstlicher Intelligenz in der Baubranche gibt es sonst noch?

Mittels Scanner lässt sich der Baufortschritt und die Qualität der ausgeführten Arbeiten überwachen und gleichzeitig lässt sich die Mengenermittlung ausführen. Aber auch die Steuerung von 3D-Druckern übernehmen digitale Modelle. Einzelne Bauteile werden bereits heute so vorfabriziert und verbaut. Die Geländeaufnahmen mittels Drohnen, um Vermessungen vorzunehmen, sind heute bereits gut eingeführt.

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Wo könnte man konkret noch verstärkt ansetzen, um KI für den Bau attraktiver zu machen?

Die Entwicklung von baubaren Modellen erfordert den Einbezug der Ausführenden bereits in einer frühen Planungsphase. Da kommen unsere traditionellen Vertrags- und Abwicklungsmodelle an ihre Grenzen. Mit neuen Abwicklungsmodellen gewinnen die Berufe der Ausführenden massiv an Attraktivität. Das führt auch zu Effizienzsteigerung und höherer Wertschöpfung. Und es entstehen neue Berufe mit neuen Kompetenzen. Zudem ist es ein Teil der Bewältigungsstrategie, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Welche neuen Berufe gibt es dank KI im Baubereich bereits oder welche könnten noch entstehen?

Aktuell gibt es noch keine neuen Berufe. In den Unternehmungen entstehen aber laufend neue Tätigkeiten. So verfügen innovative Unternehmungen beispielsweise über BIM-Manager. Am Campus Sursee werden aktuell diese neuen Kompetenzen in die Bildungsgänge zu den traditionellen Berufsbildern eingebaut. Der Baumeisterverband hat ein Projekt für ein neues Berufsbild gestartet. Darin werden sehr viele digitale Kompetenzen abgebildet. Dieser neue Beruf wird eine attraktive Einstiegspforte in die Bauwirtschaft sein und hoffentlich neue Interessengruppen vermehrt ansprechen, zum Beispiel auch Frauen.

Ist es denkbar, dass dereinst alle Abläufe und Tätigkeiten auf Baustellen durch KI gesteuert und überwacht werden könnten?

Das ist teilweise bereits möglich und ich wage zu skizzieren, dass in absehbarer Zeit am Freitag kurz vor Feierabend ein Roboter über die Baustelle marschiert und dem Bauherrn den Baufortschritt dokumentiert, die Qualität der Arbeiten überprüft und meldet, sowie die Mengen der verbauten Materialien ermittelt und direkt verrechnet. Die Simulation von Bauabläufen ist bereits heute möglich und die Steuerung von Baumaschinen durch KI gewinnt laufend an Bedeutung.

Der Campus Sursee bietet Weiterbildungen in digitalen Baumethoden an. Welches Wissen will man dabei genau vermitteln?

Das Ausbildungsangebot in digitalen Baumethoden entwickeln wir laufend weiter und fügen die neu geforderten Kompetenzen auch in die traditionellen Ausbildungen der Bauberufe stufengerecht ein. Wir vermitteln explizit Kompetenzen, was dazu führt, dass unsere Studenten konkret mit diesen digitalen Mitteln arbeiten und trainieren. Sie sind dadurch in der Lage, das Gelernte auf der Baustelle unmittelbar umzusetzen. Deshalb erscheint uns der Umgang mit Veränderung als eine der wichtigsten Kompetenzen für Berufsleute der Zukunft.

«Ich wage zu skizzieren, dass in absehbarer Zeit am Freitag kurz vor Feierabend ein Roboter über die Baustelle marschiert und dem Bauherrn den Baufortschritt dokumentiert.»
Thomas Stocker, Geschäftsführer Bildung, Campus Sursee

In welche Richtung könnte die Entwicklung von KI im Baubereich gehen, wenn man weiter in die Zukunft zu denken versucht?

Die Automatisation kann sicher vorangetrieben werden. Einen grossen Mehrwert sehe ich aber in der Vorfabrikation und in effizienteren Bauabläufen. Das führt automatisch zu höherer Qualität und grösserer Wertschöpfung. Wenn digitale Modelle künftig optimalen Gebäudeunterhalt und bessere Bewirtschaftung nach sich ziehen, ist dies auch ein grosser Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Wie will man das Weiterbildungsangebot in Sachen KI im Bau am Campus künftig ausbauen?

Wir versuchen mit grossen Anstrengungen, mit der Bauwirtschaft mitzuhalten oder gar einen Schritt voraus zu sein. Es ist unser Anspruch, unseren Studenten jene Kompetenzen mitzugeben, die sie in der Zukunft benötigen, um erfolgreich zu sein. Wir sind überzeugt, dass unser Angebot in der Weiterbildung in nächster Zeit stark wachsen wird, denn die Menge an zusätzlichen, neuen Kompetenzen und die Geschwindigkeit der Neuerungen wird sich laufend beschleunigen. Trotzdem werden Bauberufe auch in Zukunft handwerklich geprägt sein, aber dank KI und Digitalisierung einen Attraktivitätsschub erleben.


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