Rolf Künzle ging Ende Februar in Pension, Alice Willimann hat kommenden Freitag ihren «Letzten» – nach 49 bzw. 47 Dienstjahren. (Foto Daniel Zumbühl)
Rolf Künzle ging Ende Februar in Pension, Alice Willimann hat kommenden Freitag ihren «Letzten» – nach 49 bzw. 47 Dienstjahren. (Foto Daniel Zumbühl)
22.03.2020

«Früher erhielt man auch mal eine Wurst»

von Daniel Zumbühl

Je fast 50 Dienstjahre leisteten Rolf Künzle und Alice Willimann bei der Post, unter anderem am Standort Sursee. Nun gingen bzw. gehen sie in die verdiente Pension – und berichten vom Wandel im Dienst für den gelben Riesen.

Im April 1971 trat Rolf Künzle bei der Post die Betriebslehre an. Die Poststelle Beromünster, der Luzerner Brief- und Paketversand und die Post in Emmetten waren seine Stationen, ehe er als Hilfsbriefträger nach Schenkon gewählt wurde, wo schon sein Grossvater und seine Eltern als Posthalter amteten. Nach dem Tod der Mutter übernahm er für sechs Monate den Schalterdienst. Einige Jahre später kam er nach Sursee, wo er Hans Lerch bei dessen vorübergehendem Einsatz in Luzern vertrat. Es folgten vier Jahre Ferienablösung in Büron, Geuensee, Oberkirch und Nottwil, und nach diversen Bewerbungen wurde Rolf Künzle 1985 nach Oberkirch gewählt. Als die Post dort den Zustelldienst einstellte, kam er wiederum nach Sursee, wo er seither blieb – zuerst in der alten Post an der Centralstrasse und etwa ab der Jahrtausendwende im Schellenrain. Ende Februar ging er nun nach nahezu 49 Dienstjahren in Pension.

Welsche Luft geschnuppert

Alice Willimann begann nach dem obligaten Sprachaufenthalt, den sie in Paris absolvierte, ihre Lehre als Betriebsassistentin Post (damals hiess der Schalterdienst offiziell so) – mit Wolhusen und Sursee als Arbeitsorte. Diesen Poststellen blieb sie auch nach der Lehre treu. 1976/77 wurde sie als Betriebsassistentin in Genf eingesetzt, und 1978 wählte sie die Post in den Schalterdienst nach Sursee, wo sie bis 2011 blieb. Seit 2012 ist sie in Sursee als Mitarbeiterin Postfach tätig. Offiziell geht Alice Willimann Ende April nach 47 Dienstjahren in Pension. Ihren letzten Arbeitstag hat sie jedoch am kommenden Freitag. Sie habe schon als kleines Mädchen gewusst, dass sie einmal Pöstlerin werden würde, erzählt Alice Willimann: «Der Beruf bei der Post war damals angesichts des Beamtenstatus ein sicherer Job. Und das ‘Postfräulein’ galt noch etwas im Dorf.»

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Schreiben wieder höher im Kurs

Blicken die beiden langjährigen Postmitarbeitenden auf die vergangenen Jahrzehnte zurück, so erzählen sie davon, dass sich die Zeiten geändert hätten. «Die Weihnachtszeit liebte ich immer besonders. Für 25 Rappen gab es Neujahrskarten, die en masse verschickt wurden», erinnert sich Alice Willimann. Trotz E-Mail und Mobiltelefon stehe heute das Schreiben bei den Leuten eher wieder höher im Kurs als noch vor wenigen Jahren. Apropos Schreiben: In der vordigitalen Zeit herrschte bei der Übermittlung von Nachrichten neben dem Telefon noch der Fernschreiber mit manueller Eingabe der Telegramme und Lochstreifen. «Das korrekte Buchstabieren ist mir in Fleisch und Blut übergegangen – ich kann es noch heute», blickt Alice Willimann mit einer leisen Wehmut zurück.

Die AHV in bar vorbeigebracht

Besonders gut erinnert sich Rolf Künzle an seine Zeit in der Poststelle Schenkon: «Früher hatte es viele Auswärtige, die in der Selwa, später Waro, dem heutigen Coop, einkaufen gingen und davor oder danach auch noch auf der Post Schenkon Geschäfte erledigten, weil sie weniger anstehen mussten.» Es war jene Zeit, als die Briefträger in den Haushalten und auf den Bauernhöfen nicht nur die Post vorbeibrachten, sondern den Pensionierten auch die AHV in bar. Oft gabs für den Pöstler einen Kaffee. «Wenn Metzgete-Zeit war, erhielt man als Briefträger auch mal eine Bratwurst angeboten», sagt Rolf Künzle. «Damals hatte man noch Zeit für einen kurzen Schwatz. Heute ist das nicht mehr so.» Beide Neo-Pensionäre sind sich darin einig, dass das Schönste an ihrem Job der Kontakt mit den Kunden war. Und die Vielseitigkeit der zu erledigenden Arbeit, die – wie Alice Willimann mit Bedauern konstatiert – im Laufe der Zeit abnahm.

Stosszeiten am Schalter: nichts Neues

Sie erzählt auch von regelrechten Stosszeiten, als jeweils Ende Monat, nach dem Zahltag, in Sursee 1000 bis 1200 Kunden pro Tag an fünf Schaltern Einzahlungen tätigten – natürlich mit dem unverwüstlichen gelben Büchlein, das es heute noch gibt. Anfang Monat kamen dann die Pensionierten, die nach dem Erhalt der AHV ihre Rechnungen bezahlten. «Früher war die Arbeit bei der Post körperlich strenger. Auch die Frauen mussten teils schwere Pakete herumtragen. Dafür ist heute der psychische Druck höher», gibt Alice Willimann zu bedenken. Es ist also auch bei der Post nicht anders als in anderen Branchen. Wobei das auch in diesem Fall eine Frage des Standpunkts ist. Denn früher gab es auch viel zu tun, nur tat man es eben Schritt für Schritt. Wie Rolf Künzle, als er vier- bis fünfmal am Tag in Schenkon vom Postauto-Chauffeur die Express-Sendungen entgegennahm und den Empfängern vorbeibrachte.


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