Urs Lötscher widmet nach seiner Pensionierung noch mehr Zeit seinen Kaninchen.  (Foto Thomas Stillhart)
Urs Lötscher widmet nach seiner Pensionierung noch mehr Zeit seinen Kaninchen.  (Foto Thomas Stillhart)
22.12.2020

Eine Geburt bleibt auch nach 32 Jahren faszinierend 

von Thomas Stillhart

Katzen, Hunde, Pferde, Kaninchen, Kühe und bald Hummeln begleiten Urs Lötscher durchs Leben. Noch immer hat der Büroner Glücksgefühle bei Tiergeburten. Jetzt geht er in Pension.

Urs Lötscher, warum wählten Sie den Beruf des Tierarztes?

Ich wuchs auf einem Bauernhof in Ruswil auf und kam von Kindsbeinen mit Tieren in Kontakt. Sie begeisterten mich. Wenn der Tierarzt unseren Hof besuchte und eine kranke Kuh behandelte, die ihm nichts über ihre Krankheit kundtun konnte und trotzdem gesund wurde, war ich jedes Mal fasziniert.

Sind ihre Patienten deshalb vor allem Grosstiere?

Ich behandle Grosstiere, Kleintiere und auch Pferde gerne. Zwischen Gross- und Kleintieren gibt es aber einen Paradigmenwechsel. Nutztiere müssen wirtschaftlich sein. Bricht eine ausgewachsene Kuh beispielsweise ein Bein, so wird sie der Schlachtung zugeführt. Da ist einerseits der finanzielle Aufwand und andererseits das Handling, das beim Grossvieh wegen seines Gewichts und Grösse viel schwieriger und aufwändiger ist. Das Kleintier ist ein Hobbytier, das auf Erden ist um dem Besitzer Freude zu bereiten und Weggefährte zu sein. So ist eine Fraktur beim Kleintier in mancher Beziehung eher möglich zu verplatten und zu verschrauben.

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Sind die Tierhalter bereit, so viel Geld zu investieren?

Das kommt auf den Besitzer an. Nicht alle wollen oder können einen grossen finanziellen Aufwand leisten. Der Landwirt muss abwägen und kann nicht beliebig viel für eine Kuh ausgeben. So behandeln wir bei Grosstieren die meisten Krankheiten, wenn die Prognose gut ist. Will heissen, dass das Tier wieder gesund werden kann. Dies trifft auch für Operationen zu. Ist die Prognose schlecht, wird anders entschieden.

««Für mich steht die Lebensqualität der Tiere im Vordergrund.»»
Urs Lötscher, Tierarzt

Aber die Katzen- und Hundehalter wägen auch ab.

Ja. Wenn eine Katze ein Familienmitglied ist, dann gibt man sein Schmusebüsi nicht so schnell auf. Das Tier ist nicht mehr nur eine Sache, sondern liegt juristisch gesehen zwischen einer Sache und einem Menschen. Es gibt aber auch Kunden, die können sich eine teure Operation schlicht nicht leisten. Auch dafür muss der behandelnde Tierarzt Verständnis haben.

Was halten Sie von dieser Vermenschlichung der Haustiere?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich habe volles Verständnis für Kunden, die eine Katze oder einen Hund haben, dieses Tier als Lebenspartner und treuen Begleiter sehen und entsprechend viel investieren, um das Tier am Leben zu erhalten. Aber es hat alles seine Grenze.

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Wo liegt diese Grenze?

Wenn ein Hund oder eine Katze Krebs hat mit Metastasen im ganzen Körper, und die Prognose somit schlecht ist und nur mit Chemotherapie ein Behandlungsversuch gemacht werden kann, rate ich dem Halter das Tier zu erlösen. Denn irgendwann überschreiten wir die Grenze zum eigenen Egoismus. Für mich steht die Lebensqualität der Tiere im Vordergrund.

Machen das alle Tierärzte so?

Ich denke schon. Es gibt aber auch Tierärzte, die Tiere behandeln, als seien sie Menschen. Da wird schon mal die Fairness gegenüber dem Tier ausgeblendet.

Ist die Rolle des Tierarztes auf eine beratende beschränkt?

Der Besitzer ist miteinzubeziehen in den ganzen Prozess. Wir Tierärzte müssen aufklären und beraten. Dabei ist eindeutig das Wohl der Tiere im Vordergrund. Dies gilt für Gross- wie für Kleintiere.

Wie erlebten Sie diesen Wandel im Tierschutz?

Die Kontrolle ist im Vergleich zu den Kleintieren ganz anders. Sie ist staatlich geregelt und die Landwirte sind aufzeichnungspflichtig. So muss jeder Weidegang der Kühe festgehalten werden. Die Grosstiere sind heute viel mehr draussen, die Ställe sind höher gebaut und lichtdurchflutet.

««Was genau ein lebendes Tier auf die Welt zu bringen auslöst, weiss ich bis heute immer noch nicht genau.»»
Urs Lötscher, Tierarzt

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Landwirten?

Ich hatte immer einen guten Draht zu ihnen. Die meisten sind sehr offen und reden nicht lange Drumherum, was mir gefällt. Mit vielen entstand ein freundschaftliches Verhältnis.

Und wie behandeln die Landwirte ihre Tiere?

Grundsätzlich gehen sie mit ihren Tieren gut um. Der Landwirt lebt von seinen Tieren und nur ein gesundes Tier ist leistungsfähig. Sollte ein Landwirt seine Tiere vernachlässigen oder schlecht behandeln, haben wir Tierärzte Meldepflicht.

Eine ganz andere Frage: Was unternehmen Sie gegen die drohende Schweinepest?

Die afrikanische Schweinepest ist eine riesige Gefahr. Wir müssen extrem auf der Hut sein und allfällige Symptome sofort dem Kantonstierarzt melden und alles vorkehren, damit bei einem Einbruch nicht die ganze Schweinepopulation der Schweiz getötet werden muss.

Ist die einwandernde Wildau das Problem?

Ja und nein. Eine infizierte Wildsau kann die Krankheit auf das Hausschwein übertragen. Jedoch die grösste Gefahr lauert in kontaminierten Schlachtabfällen oder Fleischprodukten wie z.B. Salami, die Leute aus Gebieten mitnehmen, wo die Schweinepest grassiert und hier den Schweinen verfüttern. Darum ist privater, offener Fleischimport in die Schweiz verboten.

Tut es Ihnen nach 30 Jahren noch weh, wenn Sie ein Tier einschläfern müssen?

Eine gewisse Abhärtung spüre ich, aber es geht immer um ein Individuum. Das Einschläfern ist definitiv und häufig emotional, insbesondere, wenn Kinder ihr Lieblingstier verlieren. Etwas anders ist es, wenn ein Tier starke Schmerzen hat und die Euthanasie einer Erlösung gleichkommt. Aber eine Geburt eines lebenden Tieres ist viel schöner.

Erzählen Sie über die Geburten.

Was genau ein lebendes Tier auf die Welt zu bringen auslöst, weiss ich bis heute immer noch nicht genau. Es ist einfach schön, ein Glücksgefühl. Ein neues Leben weckt Hoffnung und in neuem Leben ist die Zukunft.

Bei welchen Tieren sind Sie vor allem bei den Geburten dabei?

Weil die Kuh das meistgehaltene Tier der hiesigen Landwirtschaft ist, leisten wir bei Kühen am meisten Geburtshilfe. Dann folgen Ziegen, Schafe, Schweine und auch bei den Kleintieren gibt es nicht so selten, dass eine Geburt nicht spontan vor sich geht. Hier besteht die Geburtshilfe fast immer darin, dass wir die Welpen durch Kaiserschnitt auf die Welt holen. Kaiserschnitt gibt es ab und zu auch beim Grosstier.

Haben Sie Haustiere?

20 Jahre lang hatten wir Pferde und noch länger Katzen. Jetzt habe ich mir noch einen Bubentraum erfüllen dürfen. Kleine deutsche Widder hoppeln im und um mein Gartenhaus. Nächstes Jahr möchte ich zudem mit der Haltung von Hummeln beginnen. Ein Hummelvolk ist mein Weihnachtswunsch. Mein Wichtel ist gefordert!

Weshalb Hummeln?

Hummeln faszinierten mich schon als Bube. Ich wollte sie damals domestizieren, gelungen ist es mir jedoch nie. Erst später wurde mir klar, warum. Ich erwischte die Königin nie.

Wie anders als Bienen sind Hummeln?

Sie können bereits bei 5 bis 6 Grad Aussentemperatur fliegen und Blumen bestäuben. Das ist genial. Bienen brauchen 10 bis 12 Grad. Mit den Hummeln möchte ich u.a. meine Tomaten bestäuben und sie zugleich gegen Blattfäulnis impfen, indem die Hummeln positive Sporen übertragen. Ich habe gelesen, dass das funktioniert und hoffe, es klappt.

Sie arbeiteten das ganze Leben mit Tieren. Haben Sie nicht genug?

Nein, überhaupt nicht. Klar geben mir die Tiere zu Hause Arbeit, aber das ist für mich wie Ferien. Kühe hätte ich auch immer gerne gehabt. Sie zu halten, war aber zu aufwändig neben meinem Beruf.

Was halten sie von Vegetariern?

Wenn jemand vegetarisch leben möchte, habe ich nichts dagegen.

Sie sind Tierfreund und essen Fleisch?

Wer Fleisch isst, soll es mit Respekt geniessen. Ganz wichtig ist, dass die Tiere gut gehalten werden und so ein schönes Leben haben. Ein Tier lebt im Moment und kann sich nicht vor seinem Tod fürchten. So ist es am letzten Tag ganz wichtig, dass kurze Transportwege eingehalten werden, und dass die zu schlachtenden Tiere weder Angst noch Schmerzen erleiden müssen.

Info

Nun ist Schluss

Urs Lötscher hat vor mehr als 32 Jahren in Büron zusammen mit seiner Frau Irma eine Tierarzpraxis gegründet. «Es waren schöne, spannende Jahre», sagt er. Nun, mit sieben Tierärzten und fünf Tiermedizinischen Praxisassistentinnen, ist Schluss. «Ich hoffe, dass die junge Generation Tierärztinnen der jährlich zunehmenden, ausufernden Bürokatie mehr Verständnis abgewinnen kann als ich und auch so viel Freude mit den Tieren und ihren Besitzern erleben dürfen.» 


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