19.03.2021

«Wir sollten impfen statt schimpfen»

von Thomas Stillhart

In der Messe Luzern dauerte die eigentliche Impfung kaum einen Wimpernschlag, aber Werner Funk gewann Freiheiten für die Ewigkeit. Das hofft er.   

Anfang Februar meldete sich Werner Funk per Internet an für die Impfung in der Messe Luzern. Das sei sehr einfach gewesen, erzählt er am Telefon. Vergangene Woche bekam der Surseer dann zwei Termine: am 13. März und am 13. April.

Ist der Kanton flexibel?

Am vergangenen Samstag steigt er um 13 Uhr beim Untertor in sein Auto. «Ich möchte rechtzeitig in Luzern sein, um 13.45 Uhr komme ich dran», begründet der Impfwillige seine grosszügig bemessene Abfahrt. Auf der Fahrt beschäftigt ihn der zweite Termin. «Ich habe exakt an diesem Tag und zur selben Uhrzeit eine Fahrprüfung», verrät er. Wird der Kanton seinen zweiten Impftermin verschieben können?

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«Dank der Impfung kann ich wieder ins Kino und ins Theater gehen.»
Werner Funk, Sursee

Warum er sich impfen lässt, erklärt Werner Funk so: «Dank der Impfung kann ich wieder ins Kino und ins Theater. Sie kann mir nur guttun.» Zudem bringe ihm der Impfausweis Vorteile. 

Der 76-Jährige lehrt immer noch in Teilzeit junge Menschen das Autofahren. «Ich arbeite nahe mit jungen Menschen und möchte sie und mich schützen.»

Chance auf Restaurantbesuch

Mit der Impfung bekomme er die Chance, seine Situation zu verbessern, denn er möchte wieder ins Restaurant gehen. Zudem ärgert sich der Fahrlehrer über Leute, die über alles meckern, was der Bundesrat während der Pandemie falsch mache. Das alles kann er in eine einfache Formel giessen: «Wir sollten impfen statt schimpfen.»

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Der Parkplatz vor der Messe Luzern ist um 13.25 Uhr gut gefüllt. Vor dem Eingang empfangen zwei Zivilschützer die Impfwilligen. Schon erkennt Werner Funk einen Bekannten aus Sursee und plaudert mit ihm. Eine Viertelstunde später meldet er sich  an. Weil ihn ein Journalist dieser Zeitung begleitet, kommt auch Stephanie Hackenberg, die Projektleiterin Impfzentrum der Messe Luzern, mit. 

Keine Angst, aber Respekt

Bald sagt Werner Funk ihr, dass er am 13. April, bei der zweiten Impfung, eine Terminkollision habe. «Es ist möglich, den Termin zu verschieben», beruhigt sie ihn. Diese positive Antwort stellt Werner Funk auf. Dass die Verantwortlichen so flexibel seien, hätte er nicht erwartet. Er meint aber auch: «Angst zu haben vor dem Impfen wäre falsch, Respekt aber richtig.»

Erfahren hat er vom Kanton, dass er den Impfstoff Moderna verabreicht bekomme. Scherzend sagt er: «Moderna ist ein guter Stoff wie Single Malt Whisky.»

Zuerst wird Fieber gemessen. Die Temperatur stimmt bei Werner Funk. Bei der nächsten Station verlangt ein Zivilschützer den Ausweis. Werner Funk zeigt seinen Führerausweis. «Sie dürfen hineingehen und zur Kabine 11 gehen», wird ihm beschieden. Dort gibt er an: «Funk Werner.»

Getrennt durch eine Scheibe flüstert ein Zivilschützer über eine Gegensprechanlage ein paar Fragen zu seinem Gesundheitszustand. Werner Funk bekommt ein Blatt Papier, auf dem eine Anleitung zum Erhalt des elektronischen Impfausweises steht. Stimmengewirr ist rundum zu hören. 

Rote und grüne Lämpchen

Den Gang zwischen den links und rechts in der Halle der Messe Luzern aufgestellten Boxen säumen Zivilschützer, die fürsorglich allen den Weg weisen, beruhigen und Fragen geduldig beantworten. Hier entlang. «Warten Sie hier, bis ein Lämpchen grün leuchtet», sagt einer der Hilfsbereiten. Nach 20 Sekunden schaltet Box Nummer 5 von rot auf grün. 

Werner Funk betritt eine Box mit Pult, Schragen, Garderobe. Ohne Aufforderung zieht er seine Jacke aus, während sich Ärztin Agnes Burger vorstellt. «Ziehen Sie das Hemd auch noch aus», fordert sie ihn mit beruhigender Stimme auf. 

Hemd aus, Handschuhe an

Sie fragt ihn nach Name, Geburtsdatum, Wohnort. «Sind Sie Rechts- oder Linkshänder?» Rechtshänder, gut, dann nehme sie den linken Arm. Während Werner Funk sein Hemd auszieht, zieht Agnes Burger Handschuhe an. Er sitzt auf dem Schragen, sie auf einem Stuhl mit Rollen.

«Ich bin eigentlich pensioniert, wurde aber rekrutiert und habe nun wieder eine Beschäftigung», erzählt sie. Früher habe sie in der Altstadtgasse in Sursee eine Praxis geführt. Diese Worte dienen der Ablenkung, erfährt Werner Funk im Nachhinein, denn schon ist die Impfung abgeschlossen. Kaum ein Wimpernschlag lang.

Die längste Viertelstunde

«Was, schon fertig?», fragt er erstaunt. «Ich habe gar nichts gemerkt und meinte, Sie beginnen erst noch mit der Impfung.» Das sei wahnsinnig schnell gegangen. Und schon verlässt er Hemd und Jacke wieder anziehend die Box.

Ein weiterer Zivilschützer drückt ihm um 14.01 Uhr bei der nächsten Haltestelle ein Blatt in die Hände. Dort steht, im Warteraum müsse er bis um 14.16 Uhr sitzen.  Während des Wartens reicht ihm Stephanie Hackenberg einen Becher vom Wasserspender. Im Warteraum ist ein Kommen und Gehen.  «Das ist eine lange Viertelstunde», bemerkt Werner Funk. Auch sie geht vorbei.

Crazy Begegnungen 

Jetzt kommt noch der Check-out-Schalter. Hinter der Nummer 8 fragt ein Zivilschützer: «Haben Sie einen Ausweis?» Diesmal zückt der Surseer seine Identitätskarte. «Haben Sie einen Impfausweis?» Nein. Der Zivilschützer empfiehlt Werner Funk, einen Ausweis bei einer Apotheke ausstellen zu lassen. «Ja, das mache ich bei der Apotheke Meyer», antwortet er rasch. Er bekommt eine schriftliche Bestätigung der ersten Impfung. 

Um 14.20 Uhr verabschiedet sich Werner Funk von Stephanie Hackenberg und tritt an die frische Luft. Sofort erkennt er Monika, eine Kollegin von der Guuggenmusik Crazy, bei der Werner Funk seit 50 Jahren nacheinander Posaune, Bass und Sousaphon spielte. Etwas verrückt war dieser Ausflug ins Impfzentrum auch. 


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