Fabienne Kaufmann (rechts) sammelte in den vergangenen zwei Jahren an unzähligen Turnieren im Ausland Punkte für das Olympiaranking. (Foto Boris Radjenovic)
Fabienne Kaufmann (rechts) sammelte in den vergangenen zwei Jahren an unzähligen Turnieren im Ausland Punkte für das Olympiaranking. (Foto Boris Radjenovic)
10.06.2020

Der Olympiatraum droht zu platzen 

von Manuel Arnold

Fabienne Kaufmanns Chancen auf einen Olympia-Quotenplatz tendieren gegen Null. Ans Aufgeben denkt die kampfstarke Tereterin deswegen noch lange nicht.

Die Freude unter den Karatekas auf der ganzen Welt war gewaltig, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) am 3. August 2016 in Rio de Janeiro verkündete, dass Karate an den Sommerspielen 2020 in Tokio zum ersten Mal in seiner Geschichte zum olympischen Programm gehört. «Hajime», der Beginn von etwas Grossem, dachte sich auch Fabienne Kaufmann im 9323 Kilometer entfernten St. Erhard. Die mehrfache Schweizermeisterin durfte sich berechtigte Hoffnungen auf einen Startplatz im Heimatland der japanischen Kampfkunst machen. An Turnieren auf der ganzen Welt sammelte sie ab 2018 fleissig Punkte für das Olympiaranking. Da wusste sie noch nicht, wie pickelhart, ja aussichtslos die Selektion noch werden würde.

Kategorienkiller IOC

Die Fassade der Freude begann vor allem unter Karate-Traditionalisten zu bröckeln, als auf Geheiss des IOC das Bewertungssystem geändert wurde, um die Olympiakämpfe für das Massenpublikum attraktiver zu machen. Einen schweren Schlag erlitten im Herbst 2019 die Karatekas selbst, als die Gewichtsklassen publik wurden. Die fünf üblichen Wettkampfkategorien schrumpften für Olympia 2020 auf drei. Für Fabienne Kaufmann hatte das verheerende Folgen. Als Vertreterin der Kategorie +68 Kg war sie nun plötzlich mit der Schweizer Ausnahmekämpferin Elena Quirici (-68 Kg) in der selben neuen Gewichtsklasse (+61 Kg). Da sich pro Kategorie grosso modo nur eine Kämpferin pro Kontinent einen der zehn Startplätze an Olympia sichern kann, sanken ihre Chancen bedrohlich. Dass Fabienne Kaufmann an ihren letzten sechs internationalen Turnieren keinen einzigen Kampfsieg erringen konnte, schmälerte ihre Chancen weiter.  Aktuell liegt sie im Olympiaranking auf Rang 65, mit Elena Qurici (3. Rang) und Ramona Brüderlin (38.) stehen ihr gleich zwei Schweizerinnen vor der Sonne. Als wäre das nicht alles schlimm genug, fielen 2020 wegen Corona etliche internationale Turniere aus. Die nächste Chance auf Punkte für das Olympiaranking bieten sich Fabienne Kaufmann wohl erst Ende Jahr.

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«Für die Jungen extrem schwierig»

Fabienne Kaufmann versucht erst gar nicht, ihren Unmut zu kaschieren: «Ich habe es nie verstanden, warum die Kategorien so zusammengekürzt wurden. Ausserdem gab es kein einziges internationales Turnier, an dem in diesen neuen Gewichtsklassen gekämpft wurde. Für die Jungen ist es unter diesen Umständen extrem schwierig, sich für Olympia zu qualifizieren.» Aufgeben ist für Fabienne Kaufmann dennoch keine Option. Sie will nach Corona an allen restlichen internationalen Turnieren teilnehmen, um sich so für das Qualifikationsturnier in Paris in Stellung zu bringen, wo es den letzten Olympiaplatz pro Kategorie zu erkämpfen gibt.

Breakdance schlägt Karate

Den Olympiatraum zu begraben und auf die nächste Austragung in Paris 2024 zu hoffen, zieht für Karatekas nicht. Obwohl Frankreich zu den stärksten Karatenationen der Welt zählt, strichen die Organisatoren die Disziplin bereits aus dem olympischen Programm 2024 und gaben dem «Breakdance» als Wahlsportart den Vorzug. «Die übernächsten olympischen Sommerspiele sind 2028. Dann bin ich 31 Jahre alt. Ob mein Körper bis dahin noch auf Topniveau mithalten kann, wage ich zu bezweifeln», so Kaufmann. 

Unzählige Stunden hat die 23-Jährige in ihren Olympiatraum gesteckt. Keine Sekunde davon bereut sie. In den Trainings mit dem Natikader in Magglingen habe sie enorm viel gelernt und dank Karate viele Länder rund um den Globus bereist. Möglichst lange möchte sich die Versicherungsangestellte noch im Profisport halten. «Es spornt mich an, neue Ziele zu setzen, wenn alles über den Haufen geworfen wird, wie es aktuell der Fall ist», bezeugt Fabienne Kaufmann, dass ihr Kampfgeist trotz der drohenden Olympianiederlage keinesfalls gebrochen ist.

bbb


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