Vom Wohnzimmer seiner Wohngruppe aus hat Noah Blick auf die verschiedenen Wege, die zu  Schulgebäude und Wohnhäusern führen. (Foto Livia Kurmann)
Vom Wohnzimmer seiner Wohngruppe aus hat Noah Blick auf die verschiedenen Wege, die zu  Schulgebäude und Wohnhäusern führen. (Foto Livia Kurmann)
19.01.2020

Noahs Chance

von Livia Kurmann

Drogen- und Alkoholkonsum brachten den 17-jährigen Noah ins Jugenddorf Knutwil. Dort soll er den Weg in ein selbstständiges Leben finden.

Es ist früher Morgen, kalt und grau, Krähen ziehen stumm über die Felder, keine Menschenseele weit und breit. Dreck spritzt auf, je stärker ich in die Pedale trete. Die Hände am Lenker meines Velos sind verkrampft, die Knöchel treten weiss hervor.

Der Feldweg, so sagte man mir, führt nach Knutwil, eine Abkürzung. Nach ein paar Minuten mündet der Weg in eine Strasse ein. «Bad Knutwil» heisst es auf einem Ortsschild. Dahinter steht ein kleiner Bauernhof. Links und rechts leere Felder. Ich fahre weiter und halte schliesslich vor einem weissen Gebäude.

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Das Jugenddorf Knutwil, bestehend aus zehn Häusern – Hauptgebäude, Werkstätten und Wohnhäuser – liegt abgelegen von der Gemeinde. Hier leben Jugendliche im Alter zwischen 14 und 25 Jahren, die über eine zivil- oder strafrechtliche Behörde hierher gelangt sind. Das Jugenddorf ist ein Justizheim und vom Bundesamt für Justiz anerkannt.

  (Foto Livia Kurmann)

Fünf Grundsätze

Kathrin Burkhardt, Co-Gesamtleiterin des Jugenddorfs, führt mich in ihr Büro, bietet mir einen Kaffee an und Schokolade, die in einer Schüssel auf dem Konferenztisch steht. Die Leiterin, braunes Haar, schwarzer Pullover, hat ein gepflegtes Äusseres. Seit 20 Jahren arbeitet sie im Jugenddorf. Zuerst als Praktikantin, dann Studentin, dann Co-Gesamtleiterin.

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365 Tage, 24 Stunden am Tag hat das Jugenddorf geöffnet. Der Tagesablauf ist getaktet, die Regeln klar. Keine Gewalt. Keine Provokationen. Keine Sachbeschädigung. Nüchtern sein. Sich dort aufhalten, wo man sich aufhalten soll. Im Lehrbetrieb, im Unterricht, in der Wohngruppe. Klare Strukturen sollen Orientierung und Halt zurückgeben. 

In Knutwil haben sie die Schlimmsten. Ein Satz, den Burkhardt öfters hört. Ihre «Klientel» stosse nicht auf viel Verständnis in der Gesellschaft. Gewalt, Aggressionen, Sucht. Die Jugendlichen werden aus vielerlei Gründen hergeschickt. Doch die «schlimmsten Fälle» – die Leiterin schüttelt vehement den Kopf – hätten sie nicht. Das Bild aus vergangener Zeit stecke bis heute in den Köpfen der Leute.

Wie auch in anderen Institutionen, sei im Jugenddorf der 40er- und 60er-Jahre nicht alles korrekt gelaufen. Bis zu 100 Jugendliche nahm das Heim damals auf. Knaben aus Familien, die zu viele Kinder hatten. Oder Schüler, die frech zum Lehrer waren.

Sich spüren lernen

«Im Jugenddorf herrscht eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Suchtmitteln», stellt Burkhardt klar. Sie spricht mit fester Stimme, unterstreicht, wie ernst sie es meint. Da einige Jugendliche im Dorf eine Drogenthematik mitbringen, werden Urinproben genommen. Bei Verdacht wird gefilzt. «Sie haben hier keinen Schonraum», sagt die Leiterin.

«Sie haben hier keinen Schonraum. Weil sie merken, dass ihr Verhalten mit Privilegien zusammenhängt.»
Kathrin Burkhardt, Co-Gesamtleiterin Jugenddorf

Jugendliche, die anfänglich noch positiv auf THC und andere Substanzen getestet werden, seien innert kürzester Zeit sauber. «Weil sie merken, dass ihr Verhalten mit Privilegien zusammenhängt.» Wer positiv ist, muss aufs Taschengeld warten, das Handy abgeben und nach Absprache übers Wochenende im Jugenddorf bleiben. Solange, bis der Teststreifen die Abstinenz beweist.

Burkhardt legt bedächtig eine Handfläche auf den Tisch. «Du kannst jemandem nicht einfach die Sucht nehmen. Du musst ihm etwas geben dafür. Einen Ersatz. Freizeit oder sportliche Aktivitäten.»

Sie habe oft erlebt, dass Jugendliche versuchten, Erlebnisse mit Drogen zu dämpfen. Jugendliche mit getrennten oder zerstrittenen Eltern, Jugendliche, die einen Krieg oder eine Flucht miterlebt haben. «Dann werden sie locker und sind in Gedanken nicht mehr beim Problem.» Viele Jugendliche im Dorf hätten wenig Durchhaltewillen. Gäben zu schnell auf, wenn sie an Grenzen stossen.

«Im echten Leben werden sie wieder an Grenzen stossen. Sie müssen hier lernen, diese auszuhalten und zu überwinden.»
Kathrin Burkhardt

Sie müssten lernen, sich mit sich selber auseinanderzusetzen. Grenzerfahrungen zu machen. Sich zu spüren. Kälte, Wärme, Herzrasen, Schwitzen, körperliche Ermüdung. Und lernen, durchzuhalten. «Im echten Leben werden sie wieder an Grenzen stossen. Sie müssen hier lernen, diese auszuhalten und zu überwinden.»

Fragende Blicke

Nach unserem Gespräch führt mich die Leiterin zurück in die Eingangshalle und hinaus in die Kälte. Wir überqueren den Parkplatz, wo ich mein Velo abgestellt habe, gehen eine lange Betonstrasse entlang Richtung Mineralquelle Bad Knutwil. Dort, wo sie das «Knuteler Wasser» herstellen. Gegenüber der Firma steht die Metallbau-Werkstatt des Jugenddorfs, in der Noah arbeitet, der junge Mann, den ich nun treffen werde.

Die Front des Gebäudes besteht aus Glasvierecken, die Sicht in die Werkstatt gewähren. Unter grellen Neonröhren gehen Jugendliche ihrer Arbeit nach. Kathrin Burkhardt geleitet mich hinein und führt mich an den jungen Männern vorbei in das Büro des Metallbauleiters – ich spüre fragende Blicke im Rücken. Verstohlen schaue ich mich um, frage mich, welcher von ihnen Noah ist.

Die Leiterin stellt mir Martin Meier vor. Er ist Metallbauer und Arbeitsagoge. Gemeinsam mit einem Kollegen bildet er sechs Lernende aus. Martin ist jung, um die dreissig, breit gebaut, mit einem aufrichtigen Lächeln begrüsst er mich. Heute ist sein freier Tag, aber Martin ist extra gekommen, um mit mir zu sprechen. Burkhardt reicht mir die Hand. «Melde dich, wenn du noch Fragen hast.»

  (Foto Livia Kurmann)

Noah finden wir am anderen Ende der Werkstatt, wo er sich über eine Anleitung beugt. Er trägt einen dunkelblauen Pullover mit der Aufschrift «Jugenddorf». Seine Haare sind nur ein paar Millimeter lang, blond oder vielleicht hellbraun. Eine dicke Narbe zieht sich vom Haaransatz über seinen Kopf. Er grinst, wir reichen uns die Hände. Noah spricht offen und freundlich, er lacht viel, scheint die Blicke der anderen Jugendlichen zu geniessen. «Von mir aus muss das nicht anonym sein», sagt er. Dass ich über ihn schreibe, sei eine coole Sache, wegen «Instagram-Likes und so».

Ich schaue zu, wie Noah auf der Bank ein Stück Metall mit Kreuzen markiert, dann die Stangen des Balkongeländers verschweisst. Um Punkt 9.45 Uhr legt er den Schweisskolben beiseite. Es ist Pause. Hinter der Werkstatt stehen in einem Unterstand zwei Festbänke mit einem Tisch. Zehn Jugendliche quetschen sich auf die Bänke und rauchen. Noah setzt sich dazu. Sie klatschen sich ab, johlen und lachen. Mich verschlägt es in die Wärme, ich trinke einen Kaffee mit Martin.

«Noah kann sich gut einbringen. Fast ein wenig zu gut. Bei ihm ist es schwierig, zu erkennen, was Fassade ist und was nicht.»
Martin Meier, Arbeitsagoge Metallbau, Jugenddorf

Er erklärt mir, dass alles, was die Jugendlichen hier produzieren, für den ersten Arbeitsmarkt gefertigt werde. Keine Sonderbehandlung, sondern verbindliche Aufträge. Balkongeländer, Glasvordächer. «Ich sehe, wie sie arbeiten, ob sie ständig zur Toilette gehen, ob sie dauernd plaudern oder bei der Sache sind. Hier verstellt sich selten einer», sagt er. Und Noah? «Er ist ein Gesellschaftstyp. Er braucht Gespräche. Er kann sich gut einbringen. Fast ein wenig zu gut. Bei ihm ist es schwierig, zu erkennen, was Fassade ist und was nicht.» Mag jemand den FCL, ist er kurz darauf Fan des FCL. Ist jemandes Ding Heavy Metal, ist es bald auch seins. «Noah versucht immer zu gefallen.»

Nachts in den Zügen

Warum bist du hier? Wir sitzen in einem kleinen Raum oberhalb der Werkstatt, wo es ruhiger ist. Kein Sägen, kein Bohren, kein Schweissen. Noahs hellbraune Augen sind auf mich gerichtet. Sein Gesicht ist glatt, ohne Bartstoppeln. Er ist jetzt 17 Jahre alt. «Weil ich alles ein wenig zu exzessiv mache ...» Noah stockt, fährt dann fort. «Ein Bier trinke ich nicht in einer halben Stunde, sondern in zehn Minuten. Es ist überall so. Beim Gamen, beim Rauchen, beim Kiffen.»

Noah erzählt mir von den vielen Malen, als er von der Polizei aufgegriffen wurde. Wie er schlafend, halb bewusstlos, nachts in Zügen unterwegs war, ihn Polizisten oder Fremde ins Spital brachten. Wie er Busse und Autos besprayte. «Im Winter vor einem Jahr brach ich die Lehre ab. Mir ging es nicht gut. Ich hatte eine Depression. Um die Strukturen zu behalten, ging ich nach Kriens in eine Psychiatrie.»

  (Foto Livia Kurmann)

Bei der Psychiatrie handelte es sich um eine Tagesklinik. Den Tag verbrachte er auf der Station, abends ging es nach Hause. «Das Problem war, dass ich in dieser Zeit zwei Mal im Krankenhaus landete. Einmal brach ich mit 2,5 Promille, MDMA, Medikamenten und Kiffen auf dem Fussgängerstreifen zusammen.» Noah zuckt mit den Schultern. «Das brachte wohl das Fass zum Überlaufen.»

Die Tagesklinik stellte daraufhin eine Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde KESB aus, Noah erhielt einen Beistand. Die KESB entschied, dass das Jugenddorf Knutwil das richtige Setting für ihn sei. Zudem soll er an den Wochenenden nicht mehr bei der Mutter – Noahs Eltern leben getrennt – sondern einem anderen Familienmitglied leben. Er zog zu seiner Grossmutter, die er aufgrund ihres jungen Alters «Gotti» nennt.  

Auszeit auf dem Bauernhof

Im Mai 2018 kam Noah auf die Beobachtungsstation. Sie nahmen ihm das Handy ab, kontrollierten sein Gepäck, nannten ihm die Kleiderordnung. Kein Camouflage, keine Kleider der Marke «Boxeur des rues», übersetzt Strassenboxerkleidung. Die ersten Tage verschanzte er sich auf dem Zimmer. Darin Schrank, Spiegel, Bett, Nachttisch, ein kleiner Schreibtisch und ein Lavabo. Schliesslich fasste Noah den Vorsatz, die sechs Monate hinter sich zu bringen.

Morgens stand er um 7.30 Uhr auf, um pünktlich um 8 Uhr am Esstisch zu sitzen. Dann folgte der Morgensport, Joggen oder Velo fahren, ob es regnete oder stürmte, schlimmstenfalls in der Turnhalle. Danach weitere Aktivitäten und Ämtli. Das Handy erhielten die Jugendlichen abends für drei Stunden zurück.

Erst nach fünf Wochen schaffte Noah es, mit dem Kiffen aufzuhören. Der Urintest war erstmals negativ. Das erste Mal durfte er am Wochenende nach Hause zu seinem Gotti.

Während seiner Zeit auf der Beobachtungsstation landete Noah zwei Mal im «Time-Out». Einmal, weil er alkoholisiert aus dem Wochenende zurück ins Jugenddorf kam. Wer mehrfach gegen die hausinternen Regeln verstösst, wird in eine «Auszeit» geschickt. Auf einen Bauernhof, wo die Jugendlichen mit anpacken müssen. Noah machten die körperlich strengen Auszeiten zu schaffen. In der Freizeit war ihm langweilig. Einmal brach er aus. Ging auf «Kurve». Zu Fuss lief er zwei Stunden ohne Handy, mit dem Nachttischwecker als Uhr nach Wolhusen. Die Polizei griff ihn auf, brachte ihn zurück.

Nach Ablauf der sechs Monate, in Absprache mit seinem Beistand, begann Noah die Attestlehre zum Metallbaupraktiker im Jugenddorf.

Den Schädel kahlgeschoren

Vor ein paar Wochen, auf dem Nachhauseweg, kam Noah von der Strasse ab. Er fiel in ein Flussbett, schlug sich den Kopf an den Steinen auf. «Im Schock bin ich rausgeklettert. Ich weiss nicht, wie.» Er hatte Glück. Fremde, die ihr Taxi verpasst hatten, fanden ihn, riefen einen Krankenwagen.

«Es hätte auch ohne Alkohol passieren können, aber man gibt dem Alkohol die Schuld.»
Noah

An den Vorfall erinnern kann sich Noah nicht. 1,5 Promille haben sie gemessen, vier Stunden nachdem es passiert war. «Es war alles Bier. Gutes Bier. Quöllfrisch.» Ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Als könne er sich das alles selber nicht erklären. «Es hätte auch ohne Alkohol passieren können, aber man gibt dem Alkohol die Schuld», sagt er.

Nach dem Unfall schor Noah seinen Schädel kahl. Damit es nicht blöd aussieht, erklärt er. Die Narbe an seinem Kopf leuchtet weiss. «Ich hatte gehofft, dass ich dadurch vielleicht super intelligent werde. Dass sich etwas in meinem Kopf neu verkabelt. Aber das ist nicht passiert», sagt Noah. Er grinst über seinen Witz.

«Es ist heftig. Die Leute, die mich fanden, haben mehr gelitten als ich.» Am nächsten Tag konnte er schon wieder lachen. «Jedem anderen würde das zu schaffen machen, das weiss ich. Das macht mir manchmal ein wenig Angst. Aber ich gebe einen Fick auf mich», sagt Noah. Das sei immer schon sein Problem gewesen. Dass er mehr zu den anderen schaue, als zu sich selber. 

Viel miterlebt, selten geweint

Es ist Nachmittag. Noah nimmt mich mit auf die Wohngruppe, zeigt mir sein Zimmer, das nicht anders aussieht als jenes auf der Beobachtungsstation. Er führt mich durch den schmalen Gang ins Wohnzimmer, hinaus auf den Balkon, zündet sich eine Zigarette an. Wenn er aus dem Jugenddorf rauskommt, will er wieder anfangen zu kiffen, erzählt er.

«Viele kiffen. Auch 40- oder 50-Jährige mit Familie. Kontrolliert eben.» Ganz aufhören möchte er nicht. Er war schon immer, wie er sagt, «in diesem Zeug drin». In der Sekundarschule habe es angefangen. Da habe erst ein Mitschüler geraucht, dann zwei. «Du lernst Leute kennen, und dann fängt es an», sagt er. Er sei praktisch damit aufgewachsen. Der Onkel habe gekifft. Als Kind habe er bereits den Cannabis gerochen.

  (Foto Livia Kurmann)

Noah erzählt, wie sich seine Eltern, als er 12 war, trennten und es «böse endete». Dass er viel miterlebt, aber selten geweint habe. Er spricht von fehlenden Grenzen, der Beziehung zu seiner Mutter, die manchmal mehr Freundin als Mami war. Dass viel falsch gemacht wurde, er aber niemandem die Schuld dafür gebe. Er habe ja dazu beigetragen. Und schliesslich spricht er über seinen Umzug zur Grossmutter und ihren Hunden, die er sehr liebt. Dass mit dem Abstand alles besser geworden sei.

Jugendliche, die am Wohnhaus vorbeigehen, unterbrechen uns. Sie ziehen Noah auf, fragen ihn, ob er jetzt vorhabe, berühmt zu werden. Noah grinst, kontert geschickt, die Ernsthaftigkeit ist verflogen.

Im Februar wird Noah 18. Die Beistandschaft fällt mit der Volljährigkeit weg. «Ich könnte das Jugenddorf verlassen, und niemand könnte was dagegen sagen», sagt er. Einen Erwachsenenbeistand will er nicht, obwohl man ihm dazu geraten hatte. Noah will die Lehre fertig machen und später den Metallbauer EFZ nachholen.

Auf sich alleine gestellt

«Ich habe Bedenken, dass Noah, sobald er 18 ist, uns nicht doch verlässt», sagt Kathrin Burkhardt. Wieder sitze ich in ihrem Büro. Sie wirkt besorgt. Schulisch habe er sich in den vergangenen Monaten verschlechtert, sagt sie. Müssen wir alles, was nach 18 kommt, überhaupt besprechen? Machst du die Lehre überhaupt fertig, habe sie ihn gefragt. Noah habe nur leicht gelächelt.

«Da wusste ich, dass ich ihn am richtigen Punkt getroffen hatte.» Verlässt Noah das Jugenddorf, ist er auf sich alleine gestellt. Ob er die Ausbildung ohne Unterstützung beenden könne, sei laut Burkhardt fraglich. Sie riet ihm zu einem Erwachsenenbeistand, der ihm bei verschiedenen Angelegenheiten helfen könnte. Aber Noah will keine Hilfe.

Nach der Entlassung werden die Jugendlichen zwei Jahre nachbetreut. Alle zwei Monate ruft jemand vom Jugenddorf an, fragt nach, wo die Jugendlichen stehen, ob sie Unterstützung brauchen. «Am Anfang geht es ihnen oft gut, weil sie die Strukturen des Dorfs noch behalten. Die Probleme kommen oft erst später», sagt Burkhardt.

«Es gibt keine Garantie», sagt sie. Keine Prozentzahlen, die den Erfolg des Jugenddorfs bekräftigen. Auch wenn immer jeder wissen wolle, wie viele Jugendliche das Dorf auf die richtige Bahn bringen könne. «Wir sehen gut, welcher Jugendliche welchen Weg nimmt. Das müssen wir nicht in Zahlen festhalten.» Das Jugenddorf müsse man sich als eine Strasse mit Leitplanken vorstellen. Die Jugendlichen können sich dazwischen bewegen und erhalten die nötige Unterstützung. Aber umsetzen müssen sie es alleine. Die Leiterin hofft für Noah, dass er seinen Weg findet.

Sie reicht mir die Hand und begleitet mich zur Tür, draussen ist es Abend geworden, grau und kalt, Krähen ziehen über die Felder. 


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